Experte erklärt: So beugt man Haltungsschäden bei Kindern vor

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Schulbeginn und Rückenbeschwerden

Der Beginn eines neuen Schuljahres bedeutet für viele Schülerinnen und Schüler in Österreich nicht nur die Rückkehr in den gewohnten Schulalltag, sondern auch eine körperliche Herausforderung. Viele Kinder und Jugendliche leiden schon früh unter Haltungsschwächen, die sich in Form von Rückenschmerzen, Rundrücken oder muskulären Defiziten bemerkbar machen. Doch welche Ursachen stecken dahinter und wie können Eltern aktiv dazu beitragen, die Rückenhaltung ihrer Kinder zu verbessern? Wir haben bei Dr. Leo Pauzenberger, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, nachgefragt.

Bewegungsmangel und sitzender Lebensstil

Für Kinder ist es natürlich und notwendig, sich im Freien zu bewegen, zu toben und zu spielen. Heutzutage verbringen Kinder jedoch immer mehr Zeit im Sitzen. „Im Herbst beginnt für über eine Million Schülerinnen und Schüler wieder die Schule, und das bedeutet durchschnittlich 8,5 Stunden täglich am Schreibtisch,“ erklärt Pauzenberger. Doch nicht nur die Schule ist für den Bewegungsmangel verantwortlich. Die häufigste Ursache für den zunehmenden Bewegungsmangel ist die moderne Technik, die es Kindern ermöglicht, einen Großteil ihrer Zeit nahezu bewegungslos zu verbringen. „Zusätzliche sitzende Tätigkeiten wie Computernutzung, Lesen oder Fernsehen erhöhen diese Belastung weiter.“ Diese sitzende Lebensweise führt dazu, dass die Muskulatur der Kinder oft einseitig oder unzureichend beansprucht wird, was Rückenschmerzen, Verspannungen und Konzentrationsschwächen zur Folge haben kann.

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Zu schwere Schultasche

Eine zu schwere Schultasche kann erhebliche Haltungsschäden und Rückenschmerzen bei Kindern verursachen, da ein zu hohes Gewicht oft zu einer schlaffen Körperhaltung und der Neigung zu Rund- oder Hohlrücken führt. Das belastet die Wirbelsäule und Muskulatur zusätzlich. „Eine Schultasche sollte grundsätzlich maximal 10% des Körpergewichts des Kindes wiegen, erklärt der Experte. „Sie sollte idealerweise oben an den Schultern und unten über dem Gesäß auf Hüfthöhe abschließen und direkt an den Schulterblättern anliegen.“ Ein eventuell vorhandener Brustgurt sollte nicht zu eng anliegen, während ein Hüftgurt mittig und straff auf der Hüfte sitzen sollte. Auch das Packen der Tasche ist wichtig: Schwere Gegenstände wie Bücher sollten nah am Rücken getragen werden, um eine optimale Gewichtsverteilung zu erzielen und eine Fehlhaltung zu vermeiden. Eine regelmäßige Kontrolle der Schultasche ist notwendig, da sich ihre Position durch Wachstum oder Kleiderwechsel verändern kann.

Was können Eltern dagegen tun?

Eltern spielen eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Haltungsschäden bei ihren Kindern, indem sie gesunde Alltagsgewohnheiten und einen aktiven Lebensstil fördern. „Eltern sollten ihren Kindern grundsätzlich einen aktiven Lebensstil vorleben, indem sie Wege so oft wie möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen und Freizeitaktivitäten wie Wandern oder Radtouren planen, erklärt Pauzenberger. Das stärkt nicht nur die Muskulatur, sondern fördert auch eine gesunde Körperhaltung.

Verbesserung der Sitzposition

Die optimale Sitzposition für Kinder ist entscheidend, um Haltungsschäden und Rückenschmerzen vorzubeugen. Der Stuhl sollte so eingestellt werden, dass die Füße des Kindes flach auf dem Boden stehen und die Oberschenkel parallel oder leicht nach unten geneigt sind. Die Rückenlehne sollte die natürliche Krümmung der Wirbelsäule unterstützen. Der Tisch sollte so hoch sein, dass die Ellenbogen des Kindes in einem Winkel von 90 Grad angewinkelt sind und die Arme entspannt auf dem Tisch liegen. Wenn das Kind vor dem Fernseher sitzt oder am Computer spielt, sollte sich der Bildschirm auf Augenhöhe befinden, um Verspannungen im Nackenbereich zu vermeiden. Schreibutensilien sollten etwa 30-40 cm vom Gesicht entfernt sein. Das Kind sollte aufrecht sitzen, mit geradem Rücken und entspannten Schultern, mit den Füßen auf dem Boden oder auf einer Fußstütze. Ebenso wichtig für Kinder ist laut Pauzenberger das so genannte dynamische Sitzen. Dynamisches Sitzen bedeutet, die Sitzposition alle zehn Minuten bewusst zu verändern, erklärt der Experte. „Alles ist erlaubt, solange man in Bewegung bleibt.“ Das bedeutet, dass Kinder regelmäßig ihre Position wechseln sollten – ob aufrecht, mit übereinandergeschlagenen Beinen oder im Schneidersitz. „Wenn möglich, lohnt es sich, zwischendurch Stehtische oder alternative Sitzmöglichkeiten zu nutzen,“ ergänzt der Experte. Solche Änderungen fördern die Muskulatur und verhindern eine einseitige Belastung.

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Einfache Übungen für den Schulalltag

Neben der Verbesserung der Sitzhaltung können einfache Übungen helfen, Haltungsschäden vorzubeugen. „Neben dynamischem Sitzen können ausgleichende Bewegungen die Muskulatur aktivieren. Schüler sollten in den Pausen aufstehen, ein paar Schritte gehen, sich ausschütteln, lockern und bewegen.“, betont der Orthopäde. Hier einige Übungen, die sich gut in den Schulalltag integrieren lassen, wären wie folgt:

  • Apfelpflücken: Sitzend oder stehend langsam nach oben strecken und die gestreckte Position einige Sekunden halten.
  • Schulterkreisen: Die Schultern in kreisenden Bewegungen nach oben, hinten und unten ziehen, mehrfach vorwärts und rückwärts.
  • Oberkörper-Drehung: Sitzend die Arme verschränken und den Oberkörper abwechselnd nach links und rechts drehen.
  • Katze-Kuh: Auf einem Stuhl oder allen Vieren den Rücken aufrunden und das Kinn zur Brust führen, dann in ein Hohlkreuz gehen und den Hals strecken.
  • Hüftbeuger-Dehnung: Im Stehen ein Bein nach vorne stellen, das andere nach hinten und den Oberkörper aufrichten, um eine Dehnung in der Hüfte zu spüren.

Sport und körperliche Bewegung

Um Haltungsschäden vorzubeugen und die allgemeine Gesundheit. physisch sowie psychisch, zu fördern, ist ausreichend Bewegung unerlässlich. „Optimal wäre es, wenn sich Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren etwa 3 Stunden pro Tag bewegen“, erklärt der Experte. Ab 6 bis 18 Jahren reichen 1 Stunde intensiver Bewegung pro Tag aus.“ Leider erfüllen nur etwa 25% der Kinder diese Empfehlungen. Bei jüngeren Kindern stehen spielerische Aktivitäten wie Laufen, Springen, Klettern und Ballspiele im Vordergrund. „Aktivitäten wie Fangenspielen oder Ballspielen helfen, die grobmotorischen Fähigkeiten zu trainieren. Das Balancieren auf einem Balken oder das Klettern auf Spielplätzen stärkt das Gleichgewicht.“, sagt Pauzenberger.Er betont, dass ab dem Schulalter Bewegung intensiver und gezielter gestaltet werden sollte. Sportarten wie Laufen, Radfahren und Schwimmen sind besonders vorteilhaft für die Rückengesundheit. Mannschaftssportarten wie Fußball fördern sowohl das Herz-Kreislaufsystem als auch soziale Fähigkeiten, während Kraftsportarten und Gymnastik grundlegende Bewegungsfähigkeiten stärken.

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Wann sollte man mit dem Kind zum Arzt?

Eine schlechte Körperhaltung kann langfristig zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen. „Längerfristige Auswirkungen sind zum Beispiel Morbus Scheuermann, eine Erkrankung der oberen Wirbelsäule, bei der es zu einer verstärkten Krümmung der Wirbelsäule kommt,“ erklärt Pauzenberger. Eine schlechte Haltung kann zu Atemproblemen und Beeinträchtigungen der Organfunktionen führen. Neben gesundheitlichen Problemen kann sie auch das Selbstwertgefühl der Kinder beeinträchtigen. Anzeichen wie chronische Rückenschmerzen, auffällige Haltungsveränderungen wie Rundrücken oder Hohlkreuz, anhaltende Verspannungen im Nacken- oder Schulterbereich sowie Kopfschmerzen sollten Eltern dazu veranlassen, frühzeitig aktiv zu werden, denn „bevor die Haltungsschäden ein gewisses Ausmaß annehmen, sollte man etwas unternehmen, da diese Probleme am Ursprung leichter zu behandeln sind.

Leo Pauzenberger, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie sowie ausgebildeter Sportarzt
Leo Pauzenberger, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie sowie ausgebildeter Sportarzt

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