Was ist eigentlich ein Brennwert?
Kalorien zählen ist für viele beim Abnehmen Standard. Aber wie wurde die Kalorie überhaupt zur Maßzahl für Energie in Lebensmitteln? Ursprünglich kommt der Begriff aus der Physik und beschreibt die Energie, die nötig ist, um ein Gramm Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen.
Im 19. Jahrhundert kam die Idee auf, auch Lebensmittel auf ihren Energiegehalt hin zu untersuchen. Forscher begannen, Essen in Kalorimetern zu verbrennen, um den „Brennwert“ zu bestimmen – also die Energiemenge, die unser Körper theoretisch daraus ziehen könnte. Der Brennwert zeigt uns, wie viel Energie ein Lebensmittel rein rechnerisch liefert, um uns durchs Leben zu bringen – von Bewegung bis Konzentration.
Heute steht dieser Wert auf fast jeder Verpackung und hat sich zum Standard für Diäten und Ernährungspläne entwickelt. Aber unser Körper funktioniert eben nicht wie ein Verbrennungsapparat und auch Lebensmittel haben bestimmte Eigenschaften. Sollte man also keine Kalorien mehr zählen und worauf sollte man achten?
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Kalorienangaben sind nur die halbe Wahrheit
Die Kalorienangaben auf Lebensmitteln basieren auf Standardwerten, die sich aus dem Mix von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen ergeben. Ein Gramm Kohlenhydrate und Proteine liefern jeweils etwa vier Kalorien, ein Gramm Fett hingegen neun. Doch ob unser Körper diese Werte in voller Höhe verwerten kann, hängt von vielen Faktoren ab – wie etwa der individuellen Verdauungsfähigkeit und der Art des Lebensmittels.
Es macht einen Unterschied, ob die Kalorien aus rohem Gemüse stammen oder aus hochverarbeiteten Produkten, die vom Körper viel schneller aufgenommen werden. Und hier spielt der sogenannte der Thermik-Effekt der Nahrung, auch bekannt als „Thermic Effect of Food“, eine wichtige Rolle.
Der Thermik-Effekt – Energieverbrauch für Energie
Der thermische Effekt von Lebensmitteln, auch bekannt als diätetisch induzierte Thermogenese, beschreibt, wie unser Stoffwechsel nach dem Essen ansteigt. Studien zeigen, dass dieser Effekt etwa 10 Prozent unseres gesamten täglichen Energieverbrauchs ausmacht. Er umfasst die Energie, die benötigt wird, um Nahrungsmittel und Nährstoffe zu verarbeiten und zu speichern, sowie die metabolischen Veränderungen, die durch die Zufuhr dieser Nährstoffe entstehen.
Spannend ist, dass der Thermik-Effekt von Lebensmitteln möglicherweise gezielt genutzt werden kann, um das Gewicht zu kontrollieren – sowohl in der Forschung als auch in der Praxis. Folgende Punkte sind dabei wichtig:
Zusammensetzung der Mahlzeit:
Proteine zum Beispiel haben einen besonders hohen Thermik-Effekt, weil sie relativ komplex aufgebaut sind und für die Verdauung einiges an Energie verlangen. Bis zu 30 % der Kalorien aus Protein gehen tatsächlich nur für die Verdauung drauf – also direkt wieder verloren. Bei Kohlenhydraten sind es nur etwa 5–10 %, und bei Fetten noch weniger, nämlich rund 3 %.
Das bedeutet: Eine Mahlzeit mit viel Eiweiß hat netto weniger „verfügbare“ Kalorien als eine gleich große Menge an Fett oder Kohlenhydraten. Dieser Effekt hat spürbare Konsequenzen, die man im Alltag nicht direkt sieht: Wer proteinreiche Mahlzeiten isst, verbraucht durch die Verdauung automatisch mehr Energie, was länger satt macht und den Stoffwechsel tendenziell ankurbeln kann.
Größe und Häufigkeit:
Die Größe und Häufigkeit der Mahlzeiten haben einen direkten Einfluss auf den thermischen Effekt: Je größer die Kalorienmenge in einer Mahlzeit ist, desto höher ist der thermische Effekt. Wenn du also eine große Mahlzeit isst anstatt mehrere kleine Snacks, kann dies ebenfalls dazu beitragen, den thermischen Effekt zu steigern.
Zeit der Nahrungsaufnahme:
Eine Oxford-Studie aus 2021 hat untersucht, wie der Thermik-Effekt von Nahrungsmitteln beeinflusst wird, je nachdem, wann wir essen. Die Teilnehmer bekamen kontrollierte Mahlzeiten, die individuell auf ihren Energiebedarf abgestimmt waren. Diese Mahlzeiten wurden eine Stunde nach dem Aufstehen und dann alle fünf Stunden serviert, wobei jede mindestens 550 kcal hatte.
Der Energieverbrauch nach dem Essen wurde in den fünf Stunden nach Frühstück, Mittagessen und Abendessen alle 30 Minuten gemessen. Dabei stellte sich heraus, dass der Thermik-Effekt am Morgen deutlich höher war als zur Mittags- und Abendzeit.
Verarbeitet vs. minimal verarbeitet:
Auch der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels beeinflusst die Kalorienaufnahme: Stark verarbeitete Lebensmittel wie Weißbrot, Chips oder Süßigkeiten werden schnell verdaut, sodass man mehr Kalorien aufnimmt als bei ähnlich kalorienreichen, unverarbeiteten Produkten. Ein Beispiel ist der Unterschied zwischen Vollkornreis und weißem Reis: Beide haben ähnliche Kalorienwerte, aber der Körper benötigt für die Verdauung von Vollkornreis mehr Energie.
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Salat oder Pasta? Warum Kalorienquellen unterschiedlich wirken
Ein entscheidender Grund, warum „eine Kalorie nicht gleich eine Kalorie“ ist, liegt darin, aus welchen Lebensmitteln sie stammt und wie unser Körper sie verarbeitet. Der Unterschied zwischen einem Salat und Pasta zeigt das gut: Lebensmittel wie Salat und anderes Gemüse enthalten viele Ballaststoffe, die der Körper kaum oder gar nicht aufspalten kann.
Diese Ballaststoffe sorgen zwar für ein gutes Sättigungsgefühl, liefern aber kaum Energie, da sie größtenteils unverdaut ausgeschieden werden – quasi eine „Kalorienbremse“. Verarbeitetes Getreide wie Nudeln dagegen bestehen hauptsächlich aus schnell verdaulichen Kohlenhydraten, die unser Körper zügig in Energie umsetzen kann. Die Kalorien aus solchen kohlenhydratreichen Lebensmitteln sind also fast komplett für den Körper verfügbar, ohne großen Aufwand bei der Verdauung.
Das bedeutet also: Wenn du zum Beispiel 1000 Kalorien aus Salat isst und 1000 Kalorien aus Pasta, wirst du mit der großen Portion Salat durch den Thermik-Effekt insgesamt weniger Kalorien aufnehmen als mit der Pastaportion. Zusätzlich wird die große Portion Salat den Magen mehr auffüllen und sorgt so für ein längeres Sättigungsgefühl, während die gleiche Kalorienmenge aus Pasta oft viel schneller gegessen wird und weniger sättigt.
Doch nicht nur Salat weist einen hohen Thermik-Effekt auf: Besonders ballaststoffreiche und kalorienarme Lebensmittel, die der Körper nur langsam verarbeitet und bei deren Verdauung viel Energie verbraucht wird, umfassen unter anderem:
- Blattgemüse wie Spinat und Salat: viele Ballaststoffe und kaum Kalorien, die direkt verwertet werden.
- Karfiol: ballaststoffreich, wenig Kalorien und wird langsam verdaut.
- Brokkoli: enthält komplexe Kohlenhydrate und ist sehr ballaststoffreich.
- Gurken: viel Wasser und Ballaststoffe, die kaum verwertet werden.
- Äpfel: hoher Ballaststoffanteil und komplexe Kohlenhydrate, die den Körper länger beschäftigen.
- Haferflocken: kalorienreich, aber komplex und ballaststoffhaltig – sorgt für lange Sättigung.
- Karotten: ballaststoff- und wasserreich, aber wenig Zucker.
- Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen: ballaststoffreich und voller komplexer Proteine, die viel Energie bei der Verdauung brauchen.
- Kohl wie Weiß- und Rotkohl: hoher Ballaststoffgehalt, der länger sättigt.
- Beeren wie Heidelbeeren und Himbeeren: reich an Ballaststoffen und Antioxidantien, aber wenig Zucker.
Gibt es also auch Negativkalorien?
Im Zusammenhang mit dem Thermik-Effekt kommt oft das Thema Negativkalorien auf. Die Idee dahinter ist, dass bestimmte Lebensmittel mehr Energie für ihre Verdauung benötigen, als sie selbst liefern. Oft werden kalorienarme Nahrungsmittel wie Sellerie, Gurken oder Salat genannt, die so wenig Kalorien haben, dass der Körper beim Verdauen mehr Energie verbraucht, als sie enthalten.
Allerdings ist die Realität ein bisschen komplexer: Es gibt zwar Lebensmittel, die extrem kalorienarm sind und die bei der Verdauung Energie kosten, doch der Energieverbrauch ist in den meisten Fällen nicht hoch genug, um eine tatsächlich negative Kalorienbilanz zu schaffen.
Kurz gesagt: Kein Lebensmittel liefert weniger Kalorien, als der Körper für seine Verdauung benötigt. Stattdessen sind solche Nahrungsmittel einfach niedrigkalorisch und können gut in eine gesunde Ernährung integriert werden, um die Gesamtkalorienaufnahme zu reduzieren und gleichzeitig für Sättigung zu sorgen.
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Kalorien sind mehr als Zahlen auf einem Etikett
Kalorienangaben auf Lebensmitteln sind also nur ein grober Anhaltspunkt, denn unser Körper verarbeitet jede Kalorie anders – je nachdem, ob sie aus frischem Gemüse oder stark verarbeiteten Snacks stammt. Faktoren wie der Thermik-Effekt und der Verarbeitungsgrad beeinflussen, wie viel Energie wirklich zur Verfügung steht. Daher ist es wichtig, Kalorien nicht isoliert zu betrachten, sondern eine ganzheitliche Sicht auf die eigene Ernährung zu entwickeln.
Kalorien zu zählen zwar kann helfen, das eigene Essverhalten zu steuern, hat aber seine Schattenseiten. Für manche bedeutet es Kontrolle und einen klaren Überblick, während es für andere zu Stress und Druck führt. Wer ständig Kalorien zählt und sich strengen Vorgaben unterwirft, riskiert, den Spaß am Essen zu verlieren und ein ungesundes Verhältnis zu Lebensmitteln zu entwickeln.
Entscheidungen hängen dann oft weniger vom eigenen Hungergefühl ab und mehr von Zahlen, die in Kalorientabellen stehen. Studien zeigen, dass diese Art der Kontrolle langfristig Essstörungen begünstigen kann. Ein intuitiverer Umgang mit dem Essen – bei dem man auf die Signale des Körpers hört – könnte oft nachhaltiger und gesünder sein.
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Triggerwarnung:
Dieser Artikel behandelt Themen wie Essstörungen, Fettreduzierung und Gewichtsverlust, die potenziell für manche Menschen belastend sein können. Bitte denke daran, dass eine ausgewogene und vor allem ausreichende Ernährung wichtig ist, um gesund zu bleiben. Wenn du dich in einer schwierigen Phase hinsichtlich deiner Essgewohnheiten befindest, empfehlen wir, dich mit jemandem auszutauschen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.