Wenn du dich auf die Suche nach einer Psychotherapie begibst, wirst du schnell feststellen, dass es eine Vielzahl von Therapieformen gibt. Begriffe wie “Verhaltenstherapie”, “Tiefenpsychologie” oder “Systemische Therapie” können dabei leicht zu Verwirrung und Unsicherheit führen. Doch welche Therapieform ist die richtige für dich? Und welchen Therapeuten solltest du mit welchen Beschwerden aufsuchen?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Psychoanalyse fokussiert auf unbewusste Konflikte aus der Vergangenheit, während die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zentrale Konflikte und konkrete Ziele adressiert
- Kognitive Verhaltenstherapie konzentriert sich auf die Veränderung von Verhaltens- und Gedankenmustern im Hier und Jetzt
- Systemische Therapie betrachtet psychische Erkrankungen im Kontext des sozialen Umfelds und der Interaktionen innerhalb dieses Systems
- Die Wirksamkeit von Psychotherapie hängt stark von der therapeutischen Beziehung und dem Glauben an die Behandlung ab
Die vier häufigsten Therapieformen
Historisch und wissenschaftlich haben sich dabei vor allem vier Therapieformen etabliert: Psychoanalyse, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Kognitive Verhaltenstherapie und Systemische Therapie. Diese Therapiearten unterscheiden sich in ihrem Verständnis darüber, wie psychische Erkrankungen entstehen, sowie in ihrem Behandlungsfokus und den angewandten Techniken. Auch die Frequenz und Dauer der Therapie variieren.
1. Psychoanalyse: Die Wurzeln der Psychotherapie
Die Psychoanalyse ist die älteste Therapieform und geht auf Sigmund Freud zurück. Sie basiert auf der Annahme, dass psychische Beschwerden entstehen, weil Gefühle und Konflikte aus der Vergangenheit verdrängt wurden und so eine gesunde Entwicklung blockieren. Das Ziel dieser Therapie ist es, diese unbewussten inneren Konflikte aufzudecken und zu lösen.
Dass es vor allem ein langfristiger Ansatz ist, zeigt eine Studie von 2018, die im Psychiatry Research veröffentlicht wurde. In ihr wurden die langfristigen Auswirkungen der Psychoanalyse (PA) im Vergleich zur langzeit psychodynamischen Psychotherapie (LPP) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Psychoanalyse in den ersten Jahren nach Beginn der Therapie zwar weniger vorteilhaft war.
Jedoch zeigten sich nach Beendigung der Therapie bis zu 1–2 Jahre später bedeutende Verbesserungen in der Persönlichkeitsorganisation, sozialer Anpassung und dem Selbstkonzept. Dies deutet darauf hin, dass die Psychoanalyse langfristig zusätzliche Vorteile bieten kann, wenn es um tiefgehende Persönlichkeits- und soziale Funktionen geht.
In der Psychoanalyse nimmt der Therapeut eine eher zurückhaltende Rolle ein und spricht wenig. Die Sitzungen finden oft im Liegen statt, damit du möglichst frei von dem berichten kannst, was dir in den Sinn kommt. Diese Methode nennt sich “freie Assoziation”. Die Therapie kann bis zu dreimal pro Woche stattfinden und insgesamt bis zu 300 Sitzungen umfassen.
Mehr dazu: Psychotherapie-Guide: Diese 10 Themen solltest du unbedingt ansprechen
2. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: Fokus auf zentrale Konflikte
Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist eine Weiterentwicklung der Psychoanalyse und ähnelt ihr in einigen Punkten. Auch hier wird davon ausgegangen, dass unbewusste Konflikte eine zentrale Rolle in der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen. Der Fokus liegt jedoch mehr auf einem zentralen Konflikt und konkreten Zielen, die du erreichen möchtest.
Im Gegensatz zur Psychoanalyse finden die Sitzungen in der Regel im Sitzen statt, und der Therapeut oder Therapeutin nimmt eine aktivere Rolle ein. Diese Therapieform ist zeitlich begrenzter und findet meist einmal pro Woche über maximal 100 Sitzungen statt.
3. Kognitive Verhaltenstherapie: Veränderung im Hier und Jetzt
Die Kognitive Verhaltenstherapie (oft auch nur Verhaltenstherapie genannt) ist die im Westen am häufigsten angewandte Therapieform. Sie geht davon aus, dass psychische Erkrankungen das Ergebnis von ungünstigen Lernerfahrungen sind, also erlernten Verhaltens- und Gedankenmustern, die jedoch wieder verlernt oder verändert werden können.
Laut einer Vielzahl an Psychologen und Therapeuten ist die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) die am besten erforschte Form der Psychotherapie. Sie wird somit oft als Goldstandard in der psychotherapeutischen Behandlung angesehen.
Das liegt vor allem daran, dass CBT im Vergleich zu anderen Ansätzen durch die meisten randomisierten kontrollierten Studien getestet (und bestätigt) wurde. Zudem gilt das Framework als wirksam für eine Vielzahl von Störungen (zum Beispiel Angststörungen oder ADHS).
Die Verhaltenstherapie ist eher gegenwartsorientiert und konzentriert sich darauf, wie du dein Erleben, deine Verhaltens- und Gedankenmuster im Hier und Jetzt verändern kannst. Der Therapeut nimmt eine aktive Rolle ein, stellt Fragen und unterstützt dich dabei, Lösungen zu finden oder neue Wege zu gehen. Die Therapie findet meist wöchentlich statt und kann bis zu 80 Sitzungen umfassen.
4. Systemische Therapie: Der Blick auf das gesamte System
Die Systemische Therapie betrachtet nicht nur die Einzelperson, sondern das gesamte “System”, also den sozialen Kontext wie Familie oder andere wichtige Bezugspersonen. Eine psychische Erkrankung wird als Symptom für eine Störung der Interaktion im System gesehen.
Eine Methode dieser Therapieform kann beispielsweise eine systemische Aufstellung sein, bei der mithilfe von Figuren, Gegenständen oder Personen Teile deines sozialen Umfelds im Raum dargestellt werden, um Einblicke in eure Strukturen und Interaktionen zu gewinnen.
Laut einer 2016 im NeuroRehabilitation veröffentlichten Studie bieten systemische und narrative Ansätze vielversprechende Interventionen für Familien, in denen ein Kind an einer Autismusspektrum-Störung (ASC) leidet. So kann geholfen werden, neue Möglichkeiten des Denkens, Seins und der Beziehungen zu eröffnen, die zuvor durch die ASC eingeschränkt waren.
Die Therapie findet meist einmal pro Woche statt und kann bis zu 48 Sitzungen umfassen. Es kann auch vorkommen, dass wichtige Bezugspersonen für einzelne Sitzungen hinzugebeten werden.
Die richtige Therapieform finden
Welche Therapieform am besten geeignet ist, ist sehr individuell und hängt von deinen eigenen Vorlieben und dem Fokus ab, den du in der Therapie setzen möchtest. Um eine Entscheidung treffen zu können, kann es helfen, dir folgende Fragen zu stellen:
- Möchte ich mehr über meine Vergangenheit und die Ursachen meiner Beschwerden erfahren?
- Möchte ich konkrete Verhaltens- und Gedankenmuster im Hier und Jetzt verändern?
- Ist mir der soziale Kontext meiner Beschwerden wichtig?
Keine Sorge, deine Entscheidung ist nicht endgültig. Denn bevor eine Therapie so richtig losgeht, finden 2 bis 4 probatorische Sitzungen statt, in denen du deinen Therapeuten kennenlernen kannst. Hier kannst du also alle brennenden Fragen stellen und entscheiden, ob dein Gegenüber und die Therapieform das Richtige für dich sind.
Wissenschaftliche Anerkennung und Wirksamkeit
In Ländern wie Deutschland werden nur die vier genannten Therapieformen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, da sie als “wissenschaftlich anerkannt” und “wirtschaftlich” gelten. Diese Beschränkung soll psychisch kranke Menschen vor Missbrauch und Willkür schützen, da die Wirksamkeit dieser Verfahren durch zahlreiche Studien belegt wurde.
Allerdings zeigen umfangreiche Studien, dass die Wirkung von Psychotherapie weniger auf spezifische therapeutische Techniken, sondern vor allem auf sogenannte “kontextuelle” Faktoren zurückzuführen ist. Dazu gehören die Qualität der therapeutischen Beziehung, die Persönlichkeit des Therapeuten sowie der Glaube der Therapeut:in und der Patient:in an die Vorgehensweise in der Therapie.
Das bedeutet, dass ganz unterschiedliche Therapieverfahren wirksam sein können. Wichtiger ist viel mehr die Beziehung zwischen Therapeut und Patient, sowie beidseitiges Vertrauen in den Therapieprozess.
Fazit
Die Wahl der richtigen Therapieform ist eine individuelle Entscheidung, die von deinen eigenen Vorlieben und dem Fokus in der Therapie abhängt. Zu den wichtigsten Therapiearten gehören dabei die Psychoanalyse, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Kognitive Verhaltenstherapie und Systemische Therapie.
Diese Therapieformen unterscheiden sich in ihrem Verständnis der Entstehung psychischer Erkrankungen, ihrem Behandlungsfokus und den angewandten Techniken. Sie lösen damit auch meist unterschiedliche Probleme. Möchte man eher tiefsitzende Traumata oder Konflikte lösen, bietet sich eine Psychoanalyse an. Akutere Probleme wie Angststörungen können dabei eher durch Verhaltenstherapie gelöst werden.
Es ist allerdings wichtig zu wissen, dass die Wirksamkeit von Psychotherapie stark von der therapeutischen Beziehung und dem Glauben an die Behandlung abhängt. Es gilt also: Augen auf nicht nur bei der Therapiewahl, sondern auch bei der Therapeutenwahl!
Mehr dazu: Psychotherapie: Warum entscheiden sich viele Menschen dagegen?
FAQs zu Therapiemethoden
Was sind die häufigsten Therapieformen in Deutschland und Österreich?
In Deutschland gibt es vier Therapieformen, deren Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden: Psychoanalyse, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Kognitive Verhaltenstherapie und Systemische Therapie.
Wie unterscheidet sich die Psychoanalyse von anderen Therapieformen?
Die Psychoanalyse basiert auf der Annahme, dass psychische Beschwerden durch verdrängte Gefühle und Konflikte aus der Vergangenheit entstehen. Der Therapeut nimmt eine zurückhaltende Rolle ein, und die Sitzungen finden oft im Liegen statt. Diese Methode nennt sich “freie Assoziation”.
Was ist der Fokus der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie?
Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie konzentriert sich auf zentrale unbewusste Konflikte und konkrete Ziele, die der Patient erreichen möchte. Der Therapeut nimmt eine aktivere Rolle ein, und die Sitzungen finden in der Regel im Sitzen statt.
Wie funktioniert die Kognitive Verhaltenstherapie?
Die Kognitive Verhaltenstherapie ist gegenwartsorientiert und zielt darauf ab, ungünstige Verhaltens- und Gedankenmuster zu verändern. Der Therapeut unterstützt aktiv dabei, Lösungen zu finden und neue Wege zu gehen. Die Therapie umfasst meist wöchentliche Sitzungen.
Was ist das Besondere an der Systemischen Therapie?
Die Systemische Therapie betrachtet das gesamte soziale Umfeld des Patienten, wie Familie oder andere wichtige Bezugspersonen. Psychische Erkrankungen werden als Symptom für Störungen im sozialen System gesehen. Methoden wie systemische Aufstellungen werden verwendet, um Einblicke in die Interaktionen zu gewinnen..
Wie finde ich die richtige Therapieform für mich?
Die Wahl der Therapieform hängt von deinen individuellen Vorlieben und dem Fokus ab, den du in der Therapie setzen möchtest. Probatorische Sitzungen bieten die Möglichkeit, den Therapeuten und die Therapieform kennenzulernen und zu entscheiden, ob sie für dich geeignet sind.
Gibt es internationale Unterschiede in der Anerkennung von Therapieverfahren?
Ja, das Verständnis und die Anerkennung von Psychotherapie variieren weltweit. In einigen Ländern gelten strenge Richtlinien wie in Deutschland, während in anderen Ländern mehr oder weniger Verfahren anerkannt sind. In den USA kann sich jeder mit einem Doktorgrad in Clinical oder Counseling Psychology als “Health Service Provider” zertifizieren lassen.