Sozial aktiv, aber einsam: Das sagt die Psychologie

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Einsam trotz sozialer Beziehungen

Einsamkeit kann ein Gefühl sein, das unabhängig von der Anzahl der Menschen um uns herum auftritt. Selbst inmitten von Freunden und Partnerschaften fühlen sich manche Menschen isoliert und unverstanden. Diese Art von Einsamkeit ist besonders herausfordernd, da sie oft nicht leicht zu erkennen und noch schwerer zu überwinden ist. Es ist ein komplexes Phänomen, das emotionale und psychologische Aspekte umfasst und tief in unseren sozialen und persönlichen Erfahrungen verwurzelt ist. Doch wie schafft man es, sich trotz der physischen Anwesenheit von geliebten Menschen emotional verbunden und erfüllt zu fühlen?

Zwischenmenschliche Dynamiken

„Geh doch mal raus und triff Freunde“ ist ein häufiger Rat, um Menschen aus ihrer Einsamkeit zu helfen. Obwohl dieser Ansatz gut gemeint ist und für manche tatsächlich hilfreich sein kann, ist er für andere nicht immer eine wirkliche Unterstützung. Während einige ihre Einsamkeit durch soziale Interaktionen überwinden können, bleibt ein anderer Teil trotz gemeinsamer Aktivitäten einsam. Es liegt zwar nahe zu vermuten, dass soziale Interaktionen das Gefühl der Isolation lindern können, doch die Realität ist komplexer und oft anders als erwartet.

Forschungsergebnisse der niederländischen Universität Tilburg zeigen beispielsweise, dass die Intensität der Einsamkeit darüber entscheidet, ob soziale Kontakte als positiv oder negativ empfunden werden. Personen, die sich weniger einsam fühlen, berichten von einer Verbesserung ihres Zustands nach sozialen Interaktionen, während Personen, die sich sehr einsam fühlen, eine Verschlechterung ihres Zustands erleben. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, individuelle Unterschiede im Empfinden von Einsamkeit zu beachten. Die niederländischen Wissenschaftler:innen verwendeten drei verschiedene Versuchsmodelle, um die Auswirkungen sozialer Interaktionen auf das Empfinden von Einsamkeit zu untersuchen. Über 3.000 Personen nahmen an den Studien teil, die von der Erzählung des vergangenen Tages bis hin zu täglichen Smartphone-Umfragen reichten. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass weder die Art der Beziehung zu den Interaktionspartnern noch die Tiefe der Gespräche einen eindeutigen Einfluss auf das Einsamkeitsempfinden hatten.

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Einsam trotz Partnerschaft

Einsamkeitsgefühle können auch auftreten, wenn man vermeintlich bereits jemanden gefunden hat. Oft wird angenommen, dass Singles sich häufiger einsam fühlen, doch das ist nicht immer der Fall. Mehrere Studien haben dieses Thema untersucht, darunter ein Forschungsprojekt der Universität Klagenfurt unter der Leitung von Psychologieprofessor Marcus Mund. Diese Studie beleuchtete das Phänomen der Einsamkeit in Partnerschaften. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden Paare zu verschiedenen Aspekten ihrer Beziehung befragt, um die Wechselwirkung zwischen Einsamkeit und Beziehungsqualität zu untersuchen. Interessanterweise zeigte sich, dass Menschen in einer Partnerschaft die Einsamkeit des anderen oft gut wahrnehmen können, was Ansätze zur Überwindung dieses Zustands bietet. Dennoch kann das Gefühl der Isolation bestehen bleiben, wenn eine Person erwartet, abgelehnt zu werden, und sich infolgedessen nicht öffnet – ein Dilemma, das selbst in intimen Beziehungen auftreten kann.

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Perspektiven der Forschung

Die zwei oben genannten  Studien bieten wertvolle Einblicke in die Dynamik von Einsamkeit. Sie verdeutlichen, dass Einsamkeit nicht nur ein Mangel an sozialen Kontakten ist, sondern auch eine Frage der Qualität und der subjektiven Wahrnehmung dieser Beziehungen. Zukünftige Forschungen werden sich darauf konzentrieren, die vielfältigen Prozesse, die Einsamkeit über die Zeit beeinflussen, genauer zu betrachten. Diese Erkenntnisse könnten helfen, effektive Strategien zu entwickeln, um dem Gefühl der Isolation entgegenzuwirken und das Wohlbefinden auf individueller sowie gesellschaftlicher Ebene zu fördern.

Strategien gegen das Einsam fühlen

Um Einsamkeit zu begegnen, empfehlen Expertinnen und Experten verschiedene Ansätze. Es ist wichtig, sich nicht unter Druck zu setzen und zu akzeptieren, dass es Zeit braucht, das Gefühl der Einsamkeit loszuwerden. Für Personen, die Schwierigkeiten haben, sich anderen zu öffnen, kann professionelle Hilfe, wie eine Therapie, ein Weg sein, mit Einsamkeit umzugehen. Folgende Tipps könnten jedoch gegen Einsamkeitsgefühle helfen:

  • Sich in der eigenen Gesellschaft wohlfühlen: Lerne, die Zeit allein zu genießen und entwickle Aktivitäten, die dir Freude bereiten, wie Lesen, Kochen oder kreative Hobbys.
  • Sich anderen gegenüber öffnen: Versuche, ehrlich über deine Gefühle zu sprechen und dich mit vertrauenswürdigen Menschen auszutauschen.
  • Aktivitäten verfolgen, die Freude bereiten: Finde und pflege Interessen und Hobbys, die dir Spaß machen und dir ein Gefühl der Erfüllung geben.
  • Selbstakzeptanz üben: Akzeptiere, dass es in Ordnung ist, sich Zeit für Erholung und Selbstpflege zu nehmen, ohne dich unter Druck zu setzen, ständig sozial aktiv zu sein.
  • Freundschaften pflegen: Investiere Zeit und Energie in bestehende Freundschaften und sei offen für neue soziale Kontakte.
  • Freiwilligenarbeit: Engagiere dich in ehrenamtlichen Tätigkeiten, um eine tiefere Verbindung zur Gemeinschaft zu spüren.
  • Bewegung und Natur: Verbringe Zeit im Freien und treibe regelmäßig Sport, um dein Wohlbefinden zu steigern.
  • Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Wenn es schwerfällt, sich anderen zu öffnen oder die Einsamkeit zu überwinden, kann eine Therapie oder Beratung hilfreich sein.
  • Selbsthilfegruppen beitreten: Suche nach Gruppen oder Gemeinschaften, die ähnliche Erfahrungen teilen, um Unterstützung und Verständnis zu finden.
  • Achtsamkeit und Meditation: Praktiziere Achtsamkeit oder Meditation, um ein besseres Verständnis für deine Gefühle zu entwickeln und inneren Frieden zu finden.

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