Vitiligo betrifft zwar „nur“ rund 100.000 Menschen in Österreich, doch ihre Auswirkungen sind erheblich. Für viele Betroffene ist die Krankheit weit mehr als nur das sichtbare Erscheinen weißer Flecken – sie kann das Selbstbewusstsein stark beeinträchtigen und sogar zu Depressionen führen. Wie lässt sich mit diesen Herausforderungen umgehen? Welche Behandlungsmöglichkeiten bieten Hoffnung? Wir haben darüber mit einem Facharzt und einem Betroffenen gesprochen.
Vitiligo verstehen
Vitiligo ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem plötzlich die eigenen Pigmentzellen angreift. „Es entstehen weiße Flecken, die sich deutlich von der umgehenden Haut in ihrer Farbe unterscheiden können“, erklärt der Dermatologe Dr. Gregor Holzer. Diese auffälligen Flecken tauchen häufig an Stellen auf, die jeder sofort sieht – wie im Gesicht oder an den Händen.
Es gibt zwei Hauptformen der Krankheit: Die Nicht-Segmentale Vitiligo und die Segmentale Vitiligo. Dr. Holzer erklärt: „Die Nicht-Segmentale Vitiligo kann in allen Lebensjahren auftreten und nimmt oft einen progressiven Verlauf.“ Die segmentale Form hingegen ist stabiler und bleibt meist auf einen begrenzten Bereich beschränkt.
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Sonne, Sonnenschutz und Therapie
Lukas Leber, ein 29-jähriger Betroffene, lässt sich von seiner Krankheit nicht allzu sehr einschränken. Einzig die Aktivitäten in der Sonne bereiten ihm oft Schwierigkeiten. „Die hellen Hautstellen bringen ein erhöhtes Risiko für Sonnenbrand mit sich. Mit Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 bin ich jedoch in der Regel gut geschützt und bekomme keinen Sonnenbrand.“ so der Betroffene.
Auch Dr. Holzer warnt davor, dass Vitiligo-Patient:innen besonders anfällig für Sonnenbrand sind, da die depigmentierten Hautstellen nicht über den natürlichen Schutzmechanismus des Melanins verfügen. Er betont jedoch auch, dass eine gewisse Sonnenexposition helfen kann, die Pigmentproduktion wieder anzuregen. „Es ist wichtig, dass Patienten eine kontrollierte Menge an Sonnenlicht abbekommen, ohne sich einem Sonnenbrand auszusetzen.“
Welche Therapien helfen wirklich?
Dr. Holzer erklärt, dass die beste Behandlung jene ist, die sowohl die Ursachen als auch die Symptome von Vitiligo anspricht. Das ist laut dem Dermatologen nur möglich, wenn man verschiedene Methoden kombiniert. „Einerseits versucht man die zugrunde liegenden immunologischen Ursachen der Erkrankung durch Cremen oder Tabletten zu hemmen, auf der anderen Seite versucht man durch Sonnenlicht oder UV-Bestrahlung die Pigmentproduktion wieder anzukurbeln.“ so der Experte.
Auch neue Wirkstoffe, wie die JAK-Inhibitoren können zukünftig eine große Unterstützung bei der Behandlung sein. Dennoch betont Dr. Holzer, dass jede Form der Therapie Hingabe und Motivation des Patient:innen erfordert, da es mehrere Wochen dauern kann, bis der erste Erfolg sichtbar wird.
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Wie Vitiligo die Psyche der Betroffenen herausfordert
Doch nicht nur der Körper wird von Vitiligo beeinflusst – auch die Psyche der Betroffenen steht oft unter Druck. Dr. Holzer beschreibt, wie viele Patient:innen mit Vitiligo unter der Stigmatisierung im Alltag leiden. „Die sichtbaren Flecken führen oft zu ungewollter Aufmerksamkeit und können das Selbstbewusstsein der Patient:innen stark beeinträchtigen,“ so Dr. Holzer.
Besonders in der Kindheit und Jugend erleben viele Betroffene Hänseleien und verletzende Kommentare, wie der Vitiligo-Betroffene Lukas Leber es in seinem Interview schildert: „Ich wurde als Kind und Jugendlicher gelegentlich von Einzelnen deswegen gehänselt. Das beschränkte sich jedoch auf wenige Situationen, und ich habe nie wirklich darunter gelitten. Ich kann aber gut nachvollziehen, dass verletzende Kommentare wie ‚Du siehst ja aus wie eine Kuh‘ für andere belastend sein können.“
Vom ersten Fleck bis zur Akzeptanz
Lukas selbst hatte als Kind eine eher entspannte Einstellung zur Krankheit. „Ich war etwa zehn Jahre alt, als ich zum ersten Mal die Flecken entdeckte“, erinnert er sich. „Meine ersten Gedanken waren ungefähr: ‚Cool, das sind doch die gleichen Flecken, die der Papa hat.‘” Für ihn war Vitiligo etwas, das er von seinem Vater geerbt hatte, und er erlebte die ersten Flecken eher als Teil seiner Identität.
Lukas beschreibt, dass er anfangs noch etwas gehemmt war, seinen Körper zu zeigen. Diese Bedenken hätten sich jedoch später als völlig unbegründet herausgestellt. „Schon bald konnte ich mich sogar ohne Bedenken in eine öffentliche Sauna oder einen FKK-Bereich begeben.“
Stigmatisierung, Missverständnisse und Neugierde
Dennoch hebt Dr. Holzer hervor, wie wichtig eine bessere Aufklärung in der Gesellschaft ist. Vitiligo werde oft nicht als ernsthafte Erkrankung erkannt, und es bestehen nach wie vor viele Missverständnisse, die dringend aufgeklärt werden müssten. So herrsche bei vielen Menschen laut Dr. Holzer immer noch die unbegründete Angst vor einer Ansteckung, obwohl Vitiligo in keiner Weise ansteckend ist.
Lukas fügt hinzu, dass die meisten Menschen neugierig auf seine Krankheit reagieren: „Vitiligo ist heute weit bekannt und wird von vielen Menschen sofort erkannt. Falls jemand nicht Bescheid weiß und neugierig nachfragt, erkläre ich kurz den medizinischen Hintergrund – danach ist das Thema meist erledigt.“
Doch manchmal fehle ihm einfach die Lust, immer wieder dieselben Erklärungen zu liefern. „Deshalb finde ich es gut, wenn öffentlich über die Erkrankung gesprochen wird,“ teilt der Betroffene mit uns.
Was der Betroffene anderen auf den Weg geben möchte
Lukas gibt abschließend wertvolle Ratschläge an andere Betroffene weiter. Er betont, dass der Umgang mit Vitiligo stark von der inneren Einstellung abhängt. „Wichtig ist, sich nicht zu viele Gedanken darüber zu machen, wie andere auf die Krankheit reagieren,“ sagt er. „Es gibt keine Situation, in der Vitiligo dich wirklich einschränkt – außer, man setzt sich selbst mentale Grenzen.“
Vitiligo als Teil des Lebens akzeptieren
Vitiligo ist viel mehr als nur eine körperliche Erkrankung. Sie ist eine Krankheit, die tief in das Leben der Betroffenen eingreift – sowohl psychisch als auch gesellschaftlich. Medizinische Fortschritte und Therapieansätze geben den Patient:innen Hoffnung, doch der Weg zur inneren Akzeptanz bleibt individuell.
Sowohl für Betroffene als auch für den Rest der Gesellschaft gilt: Vitiligo muss nicht als Makel gesehen werden, sondern kann als ein Aspekt des Lebens betrachtet werden, der genauso akzeptiert werden kann wie jeder andere Teil des Körpers.