Kein reines Altersproblem
Stell dir vor, du bist unterwegs oder in einer wichtigen Besprechung und plötzlich verspürst du das dringende Bedürfnis, auf die Toilette zu müssen. Für viele ist das nicht nur eine gelegentliche Unannehmlichkeit, sondern eine tägliche Herausforderung: Inkontinenz. Ob beim Lachen, Husten oder aus heiterem Himmel – der unkontrollierte Verlust von Urin oder Stuhl betrifft weltweit Millionen von Menschen und ist längst kein reines Altersproblem mehr.
Was vielleicht überrascht: Es gibt verschiedene Formen von Inkontinenz, und die Ursachen können ebenso ganz unterschiedlich sein – von einer geschwächten Beckenbodenmuskulatur bis hin zu komplexeren medizinischen Gründen. Die gute Nachricht ist, dass es viele Möglichkeiten gibt, selbst etwas zu unternehmen, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Was ist Inkontinenz?
Inkontinenz bezeichnet den unfreiwilligen Verlust von Urin oder Stuhl. Besonders häufig ist die Harninkontinenz, bei der es zu unwillkürlichem Urinverlust kommt. Das kann in verschiedenen Situationen geschehen, z. B. beim Lachen, Husten, Niesen, Heben schwerer Gegenstände oder bei sportlichen Aktivitäten.
Obwohl Inkontinenz häufig vorkommt, ist sie nicht normal und sollte behandelt werden. Viele Betroffene schämen sich, darüber zu sprechen, weil sie das Gefühl haben, es sei ein Tabuthema. Diese Scham führt häufig dazu, dass sie ihre Beschwerden ignorieren oder verbergen, obwohl eine frühzeitige Behandlung entscheidend für die Verbesserung des Zustands ist.
Arten der Inkontinenz
Es gibt verschiedene Arten von Inkontinenz, die jeweils unterschiedliche Ursachen und Symptome aufweisen. Die häufigsten Formen sind:
- Stressinkontinenz: Bei dieser Form der Inkontinenz kommt es zu einem unwillkürlichen Urinverlust, wenn die Blase unter Druck gesetzt wird. Typische Auslöser sind körperliche Anstrengungen wie Lachen, Niesen, Husten, Sport oder das Heben von schweren Gegenständen. Diese Form tritt häufig aufgrund eines geschwächten Beckenbodens auf, der den Druck auf die Blase nicht mehr ausreichend ausgleichen kann.
- Dranginkontinenz: Bei der Dranginkontinenz verspüren Betroffene plötzlich und unkontrollierbar den Drang, urinieren zu müssen. Oft ist der Harndrang so stark, dass er nicht mehr zurückgehalten werden kann, was zu ungewolltem Urinverlust führt. In vielen Fällen liegt der Ursache dieser Form der Inkontinenz eine Überaktivität der Blase zugrunde.
- Mischinkontinenz: Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei der Mischinkontinenz um eine Kombination aus Stress- und Dranginkontinenz. Betroffene leiden sowohl unter Harnverlust bei körperlicher Anstrengung als auch unter unkontrollierbarem Harndrang.
- Überlaufinkontinenz: Diese Form der Inkontinenz tritt auf, wenn die Blase nicht vollständig entleert werden kann, wodurch es zu einem Überlauf von Urin kommt. Dies ist häufig bei einer vergrößerten Prostata bei Männern oder einer Blasenentleerungsstörung der Fall.
- Totale Inkontinenz: Dies ist die schwerwiegende Form der Inkontinenz, bei der kontinuierlich und unkontrolliert Urin abgeht. Diese Art tritt oft bei schweren neurologischen Erkrankungen oder nach Unfällen auf.
Welche Faktoren begünstigen Inkontinenz?
Die Ursachen für Inkontinenz können sehr unterschiedlich sein. Häufig ist sie auf eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen. Diese Muskeln spielen eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle von Blase und Darm.
Wenn sie schwächer werden – zum Beispiel durch Schwangerschaften, Geburten oder den natürlichen Alterungsprozess – kann es zu Problemen bei der Blasen- und Darmkontrolle führen. Vor allem bei Frauen ist dies eine häufige Ursache, da der Beckenboden während der Geburt stark beansprucht wird.
Auch Übergewicht kann den Beckenboden zusätzlich belasten und das Risiko für Inkontinenz erhöhen. Das zusätzliche Körpergewicht drückt auf die Blase und erschwert so die Kontrolle. Bei Männern kann eine vergrößerte Prostata, die häufig durch eine gutartige Prostatavergrößerung oder eine Prostataoperation verursacht wird, zu einer Form der Inkontinenz führen, die meist mit einer verminderten Blasenentleerung verbunden ist.
Darüber hinaus können neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson oder Multiple Sklerose die für die Blasensteuerung verantwortlichen Nerven beeinträchtigen und ebenfalls zu Inkontinenz führen. Auch bestimmte Medikamente, die z.B. die Blasenmuskulatur beeinflussen oder den Harndrang verstärken, können eine Blasenschwäche verursachen.
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Wie Blasenschwäche das Leben beeinflusst
Inkontinenz hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen. Viele Menschen empfinden Scham und Peinlichkeit und vermeiden es, offen über ihre Beschwerden zu sprechen. Das kann zu sozialer Isolation, psychischer Belastung und verminderter Lebensqualität führen. Die ständige Sorge, dass ein Unfall passieren könnte, beeinträchtigt das tägliche Leben. Auch die körperliche Aktivität, die Berufswahl und die soziale Teilnahme können unter der Inkontinenz leiden.
Darüber hinaus kann eine unbehandelte Inkontinenz zu gesundheitlichen Problemen wie Hautreizungen, Harnwegsinfektionen oder sogar psychischen Störungen führen. Deshalb ist es wichtig, Inkontinenz frühzeitig zu erkennen und aktiv gegenzusteuern.
Das hilft bei Inkontinenz
Inkontinenz betrifft viele Menschen, kann aber oft durch Selbsthilfe gelindert oder sogar verhindert werden. Es gibt zahlreiche Methoden, die Betroffene selbst anwenden können, um ihre Beschwerden zu lindern oder die Kontrolle über Blase und Darm wiederzuerlangen. Hier sind einige Ansätze, die jeder selbst anwenden kann, ohne auf ärztliche Eingriffe oder Medikamente angewiesen zu sein.
1. Beckenbodengymnastik
Eine der effektivsten und einfachsten Methoden, um Inkontinenz vorzubeugen oder zu lindern, ist das gezielte Training der Beckenbodenmuskulatur. Der Beckenboden stützt die Blase, die Gebärmutter und den Darm und spielt eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle über Urin und Stuhl. Wenn diese Muskulatur geschwächt ist, kann Inkontinenz entstehen.
Beckenbodentraining, auch als Kegel-Übungen bekannt, hilft, die Beckenbodenmuskulatur zu stärken. Hierbei wird die Muskulatur angespannt, als würde man den Urinfluss stoppen, und für einige Sekunden gehalten. Diese Übung kann zu jeder Tageszeit durchgeführt werden, am besten in Ruheposition, etwa im Sitzen oder Liegen. Wichtig ist, dass die Übungen regelmäßig und korrekt durchgeführt werden, um die Muskulatur nachhaltig zu stärken.
Ziel ist es, die Kontrolle über die Blase zu verbessern und den Druck, der beim Husten, Niesen oder Heben von schweren Gegenständen auf die Blase ausgeübt wird, zu reduzieren. Schon wenige Minuten täglich können helfen, die Symptome zu lindern. Bei Unsicherheiten kann eine Beratung durch einen Physiotherapeuten sinnvoll sein.
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2. Blasentraining
Blasentraining ist eine bewährte Methode, um die Kontrolle über die Blase zu verbessern und den Harndrang zu regulieren. Besonders bei Dranginkontinenz, bei der es zu plötzlich auftretendem, intensiven Harndrang kommt, kann diese Methode hilfreich sein. Das Ziel des Blasentrainings ist es, die Zeitspanne zwischen dem ersten Harndrang und dem tatsächlichen Toilettengang allmählich zu verlängern.
Zu Beginn wird empfohlen, den Harndrang bewusst herauszuzögern, wenn er einsetzt. Statt sofort zur Toilette zu gehen, sollte man versuchen, den Harndrang für 5 bis 10 Minuten zu halten und sich dann nach und nach die Intervalle zwischen den Toilettengängen zu steigern. Das trainiert die Blase, mehr Urin zu speichern, bevor der Drang auftritt.
Blasentraining kann anfangs schwierig sein, aber mit der Zeit gewöhnt sich die Blase an längere Zeiträume zwischen den Entleerungen, was zu einer besseren Blasenkontrolle führt. Ein Erfolg kann nach wenigen Wochen sichtbar werden.
3. Gewichtsmanagement
Übergewicht übt zusätzlichen Druck auf die Blase aus, was zu einer Verschlechterung der Inkontinenz führen kann. Eine der wirksamsten Selbsthilfemaßnahmen ist es, das Körpergewicht zu reduzieren. Wenn Übergewicht abgebaut wird, verringert sich der Druck auf den Beckenboden, und die Muskulatur kann sich besser erholen.
Eine gesunde Ernährung, die auf ausgewogenen Mahlzeiten mit wenig Zucker und Fett basiert, sowie regelmäßige Bewegung tragen dazu bei, das Gewicht zu reduzieren und zu halten. Regelmäßige, moderate Bewegung wie Spaziergänge oder leichtes Joggen kann helfen, den Körper in Form zu bringen und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
4. Ernährungsanpassung
Die Ernährung hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit der Blase und des Darms. Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung kann nicht nur dabei helfen, das Gewicht zu kontrollieren, sondern auch Verstopfung zu vermeiden. Verstopfung erhöht den Druck auf die Blase und kann so Inkontinenz verstärken. Eine ballaststoffreiche Ernährung hilft, den Stuhlgang regelmäßig und weich zu halten.
Lebensmittel, die reich an Ballaststoffen sind, umfassen Vollkornprodukte, Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte. Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig, um eine Dehydration zu vermeiden, die zu Blasenirritationen führen kann. Es wird empfohlen, täglich mindestens 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit zu sich zu nehmen, vorzugsweise Wasser.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Reduzierung von koffeinhaltigen und alkoholischen Getränken, da diese die Blase reizen können und zu häufigem Harndrang führen. Auch scharfe Speisen können bei manchen Menschen Blasenbeschwerden auslösen und sollten in Maßen konsumiert werden.
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5. Reduzierung von Reizstoffen
Bestimmte Lebensmittel und Getränke können die Blase reizen und so die Symptome der Inkontinenz verschlimmern. Zu den häufigsten Reizstoffen gehören Koffein, Alkohol, scharfe Gewürze und kohlensäurehaltige Getränke. Wenn du feststellst, dass deine Inkontinenz durch den Konsum dieser Substanzen verstärkt wird, kann es hilfreich sein, deren Aufnahme zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.
Ein weiteres wichtiges Thema sind Blaseninfektionen, die ebenfalls zu Inkontinenz führen können. Daher ist es wichtig, auf eine gute Hygiene zu achten und ausreichend Flüssigkeit zu trinken, um die Blase zu spülen.
6. Korrekte Toilettengewohnheiten
Gute Toilettengewohnheiten können ebenfalls helfen, die Inkontinenz zu lindern. Dazu gehört, dass man auf die Signale der Blase hört und rechtzeitig zur Toilette geht, bevor der Druck zu groß wird. Menschen, die unter einer schwachen Blase leiden, neigen manchmal dazu, länger zu warten oder den Drang zu ignorieren. Es kann jedoch helfen, regelmäßig auf die Toilette zu gehen, bevor der Harndrang zu intensiv wird.
Außerdem sollte man sich Zeit nehmen, um vollständig zu entleeren, ohne zu pressen oder zu hastig zu handeln, was den Beckenboden unnötig belasten könnte. Eine entspannte Haltung während des Toilettengangs unterstützt die Blasen- und Darmentleerung.
7. Flüssigkeitsaufnahme kontrollieren
Obwohl eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wichtig ist, kann eine zu hohe Menge an Flüssigkeit, vor allem am Abend, zu nächtlicher Inkontinenz führen. Um dies zu vermeiden, sollte man sicherstellen, dass man tagsüber genügend trinkt und die Flüssigkeitsaufnahme am Abend etwas reduziert. Dadurch kann das nächtliche Wasserlassen verringert werden.
Es ist jedoch nicht ratsam, die Flüssigkeitsaufnahme insgesamt zu stark zu beschränken, da dies zu Dehydration und Blasenreizungen führen kann.
Medikamentöse Behandlung
In einigen Fällen kann die medikamentöse Behandlung helfen, die Symptome der Inkontinenz zu lindern. Es gibt verschiedene Medikamente, die je nach Art der Inkontinenz eingesetzt werden:
- Anticholinergika: Diese Medikamente wirken, indem sie die Blasenmuskulatur entspannen, was besonders bei Dranginkontinenz hilfreich ist. Sie verhindern die übermäßige Aktivität der Blase, die zu plötzlichem Harndrang führt.
- Desmopressin: Bei Menschen mit nächtlicher Inkontinenz (Nykturie) kann dieses Medikament helfen, den Harndrang in der Nacht zu reduzieren, indem es die Urinproduktion verringert.
- Alpha-Blocker: Diese Medikamente werden bei Männern mit vergrößerter Prostata eingesetzt und helfen, den Urinfluss zu verbessern, indem sie die Blasenmuskulatur entspannen.
- Östrogen-Cremes: Bei Frauen, insbesondere nach den Wechseljahren, kann eine Anwendung von Östrogen-Cremes helfen, die Blasenwand zu stärken und die Symptome von Inkontinenz zu lindern.
Medikamente sind nicht immer eine dauerhafte Lösung und sollten unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden. Bei manchen Menschen können sie Nebenwirkungen verursachen oder nicht die gewünschten Ergebnisse bringen.
Chirurgische Eingriffe
In schweren Fällen von Inkontinenz, bei denen konventionelle Behandlungen wie Beckenbodentraining oder Medikamente nicht ausreichen, können chirurgische Eingriffe nötig sein. Zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen gehören die Anhebung oder Straffung des Beckenbodens bei Frauen, um die Kontrolle über die Blase zu verbessern, und die Implantation eines künstlichen Schließmuskels, der insbesondere bei schwerer Inkontinenz hilfreich sein kann, wenn andere Behandlungen versagen.
Eine weitere Möglichkeit sind so genannte Sling-Operationen, bei denen ein Band unter die Harnröhre gelegt wird, um den unfreiwilligen Urinabgang bei Belastungsinkontinenz zu verhindern. Diese Eingriffe werden in der Regel als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen, wenn alle anderen Behandlungsansätze nicht die gewünschte Wirkung zeigen.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Wenn du regelmäßig Probleme mit Blasenschwäche hast, solltest du eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Besonders wenn die Symptome plötzlich auftreten, sehr häufig sind oder sich verschlimmern, ist es wichtig, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein:e Fachärzt:in kann die genaue Ursache der Inkontinenz feststellen und geeignete Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen.