Triggerwarnung:
Dieser Artikel behandelt Themen wie Fettreduzierung und Gewichtsverlust, die potenziell für manche Menschen belastend sein können. Bitte denke daran, dass eine ausgewogene und vor allem ausreichende Ernährung wichtig ist, um gesund zu bleiben. Wenn du dich in einer schwierigen Phase hinsichtlich deiner Essgewohnheiten befindest, empfehlen wir, dich mit jemandem auszutauschen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
“Nichts schmeckt so gut, wie sich Dünnsein anfühlt” – dieser Satz von Kate Moss aus den 90ern hallt bis heute nach. Damals war das Supermodel das Gesicht des sogenannten “Heroin Chic” – ein Trend, der extreme Schlankheit und blasse, eingefallene Gesichter verherrlichte. Jahrzehnte später tauchen jetzt auf TikTok unter dem Hashtag #SkinnyTok oder auch #SkinnyGirlMindset nun wieder Inhalte auf, die das gleiche schädliche Ideal vermitteln. Doch diesmal sind es keine Magazine, sondern Teenager, die sich gegenseitig inspirieren, immer weniger zu essen und immer dünner zu werden. Doch warum ist es gerade in Zeiten von Body positivity möglich, dass der Trend sich durchsetzt? Macht die Jugend gerade einen Rückschritt?
Vom Magerwahn zur Body Positivity – und zurück?
Seit ungefähr 5-6 Jahren hat sich das Körperideal stark gewandelt: Mit der Body-Positivity-Bewegung wurden diverse Körperformen gefeiert und immer mehr Plus-Size-Models wie Ashley Graham eroberten die Modewelt. Die Gesellschaft schien sich von dem ungesunden Magerideal der 90er zu verabschieden, hin zu mehr Selbstliebe und Akzeptanz.
Doch parallel dazu entwickelte sich in letzter Zeit eine Gegenbewegung auf Social Media, die alte Diät-Ideale wieder aufleben lässt. “SkinnyTok” zeigt, dass der Druck, schlank zu sein, nie wirklich verschwunden ist – er hat sich nur an neue Plattformen angepasst.
Besonders bei Jugendlichen spielt das Gefühl der Zugehörigkeit eine große Rolle. Ob es um die aktuellen Modetrends, das neueste Smartphone oder eben den “Skinny Look” geht – viele möchten Teil einer Bewegung sein, die in ihrer Community gefeiert wird. Und genau das macht Trends wie “SkinnyTok” so gefährlich: Sie erzeugen Gruppenzwang, der in ungesunde Extreme führen kann.
Das steckt hinter #SkinnyTok
Besonders auf TikTok gibt es einen scheinbar endlosen Strom an Videos mit Titeln wie “How to lose weight fast” oder “My 500-calorie day”. In der sogenannten “SkinnyTok”-Bubble teilen Nutzerinnen und Nutzer ihre Kalorienaufnahme, Tricks zum Hungern und Vorher-Nachher-Fotos extremer Gewichtsverluste.
Watch on TikTok
Das Problem: Viele der Zuschauerinnen und Zuschauer sind junge Menschen, die sich in einer sensiblen Entwicklungsphase befinden und besonders anfällig für ungesunde Körperideale sind. Die Algorithmen von TikTok tragen dazu bei, dass solche Inhalte viral gehen – und so können bereits harmlose Fitness- oder Ernährungsvideos schnell in eine Spirale von problematischen Abnehm-Tipps und Essstörungen führen.
Body Dysmorphia: Wenn der Spiegel zur Feindin wird
Ein besonders besorgniserregender Aspekt von “SkinnyTok” ist der Zusammenhang mit Body Dysmorphic Disorder (BDD), auch Körperdysmorphe Störung genannt. Menschen mit BDD nehmen ihren Körper verzerrt wahr und fixieren sich auf vermeintliche Makel, die für andere oft kaum sichtbar sind.
Laut einer Studie der Harvard Medical School leiden vor allem junge Frauen und Männer, die viel Zeit in sozialen Medien verbringen, häufig unter solchen Wahrnehmungsstörungen. Besonders gefährlich wird es, wenn TikTok-User:innen ihre Unsicherheiten miteinander teilen und bestärken, indem sie sich gegenseitig zu noch radikaleren Diäten anspornen.
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“What I Eat in a Day” – Trend als Gefahr
Ein besonders beliebtes Format auf TikTok und Instagram sind “What I Eat in a Day”-Videos. Eigentlich sollen sie Ernährungsinspiration bieten, doch oft dienen sie als subtile Vergleichsfallen. Viele Influencer:innen präsentieren darin eine extrem niedrige Kalorienaufnahme, die suggeriert, dass wenig Essen der Schlüssel zu Erfolg und Glück ist.
Wer sich diese Videos ansieht, kann leicht das Gefühl bekommen, selbst zu viel zu essen oder falsch zu leben. Besonders problematisch: Viele dieser Videos sind als “gesund” oder “balanced” getarnt, enthalten aber kaum nährstoffreiche Lebensmittel beziehungsweise unter 500 Kalorien. Der Tagesbedarf liegt je nach Gewicht und Bewegung zwischen 2000-3000 Kalorien pro Tag.
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Die Verantwortung der Plattformen und Content Creator:innen
TikTok hat bereits versucht, gegen problematische Inhalte vorzugehen, indem bestimmte Hashtags gesperrt oder Warnhinweise eingeblendet werden. Doch das reicht oft nicht aus. Die Plattform lebt von Engagement – und je mehr Menschen auf diese Inhalte klicken, desto weiter verbreiten sie sich. Die Grenze zwischen Fitnessmotivation und der Verherrlichung von Essstörungen ist oft fließend. Deshalb braucht es eine Kombination aus strengeren Plattformrichtlinien, Aufklärung in Schulen und einer größeren Sensibilität innerhalb der Community.
Auch Content Creator:innen tragen eine Verantwortung, indem sie bewusst darauf achten sollten, keine schädlichen Ideale zu verbreiten. Sie sollten ihre Inhalte kritisch hinterfragen und stattdessen gesunde und nachhaltige Lebensweisen fördern.
Ein schmaler Grat zwischen Inspiration und Gefahr
“SkinnyTok” zeigt, wie soziale Medien das Körperbild junger Menschen beeinflussen und welche Verantwortung Plattformen, Influencer:innen und Nutzer:innen (für sich selbst) tragen. Schlank zu sein wird in diesen Kreisen oft mit Erfolg und Glück gleichgesetzt – doch der Preis dafür kann hoch sein. Es ist wichtig, dass wir unsere eigene Medienkompetenz schärfen, um solche Trends kritisch zu hinterfragen.
Besonders wenn es um nahestehende Personen oder die eigenen Kinder geht, sollte man darauf achten, ob sie sich in einer solchen Bubble befinden. Wer bereits mit einer Essstörung oder Körperdysmorphie kämpft, sollte Social Media pausieren, bis eine Heilung stattgefunden hat. Ein neuer Account kann helfen, den Algorithmus zurückzusetzen und schädlichen Content zu vermeiden.
Auch für sich selbst ist es entscheidend, zwischen toxischen und gesunden Inhalten zu unterscheiden – eine Ernährung mit weniger als 500 Kalorien am Tag ist weder gesund noch nachhaltig. Es geht nicht darum, nur extremen Trends zu folgen – weder Magerwahn noch einseitige Body Positivity sind die Lösung. Am Ende zählt das, was immer zählt: ein gesunder Körper, ein gesunder Geist und ein Leben in Balance.
In unserem Interview erzählt Schauspieler und Podcaster Max Ortner von seiner Vergangenheit – geprägt von Ängsten vor dem Essen und Essstörungen.
Für Menschen in Krisensituationen und deren Angehörige gibt es eine Reihe von Anlaufstellen wie z.B:
● sowhat. Kompetenzzentrum für Menschen mit Essstörungen: sowhat.at, 01 4065717
● Sozialpsychiatrische Ambulatorium, pds-wien.at, 01 400053240
● Sozialpsychiatrischer Notdienst / PSD 01/31330, täglich 0 bis 24 Uhr Telefonische Hilfe im Krisenfall gibt es auch bei:
● Telefonseelsorge 142, täglich 0 bis 24 Uhr