Social Media als Motor
Instagram und Co. spielen also eine zentrale Rolle in der Verbreitung des Biohacking-Trends. „Biohacker-Gurus“ wie Johnson inszenieren besonders dort ihre vermeintlich perfekten Körper, berichten von Erfolgen und teilen ihre Fortschritte mit „Before-and-After“-Darstellungen. Doch der Druck, ebenfalls die „perfekte“ Gesundheit oder den „perfekten“ Körper erreichen zu müssen, führt bei vielen Ottonormalverbrauchern zu einem verzerrten Selbstbild und einem gefährlichen Streben nach immer mehr – schneller, besser, stärker. Was zwar zunächst völlig legitim erscheint, doch eben seine Tücken hat.
Der Kostenfaktor des Biohackings
Zunächst muss man den finanziellen Aspekt betonen: Biohacking klingt vielversprechend, doch es hat seinen Preis: Teure Fitness-Tracker, teure Mitgliedschaften, spezialisierte Nahrungsergänzungsmittel oder personalisierte Coachings können schnell ins Geld gehen. Die Suche nach dem „perfekten“ Produkt oder der „richtigen“ Methode belastet nicht nur mental, sondern oft auch finanziell – besonders, wenn der Erfolg fraglich bleibt.
Für prominente Biohacker wie Bryan Johnson ist das allerdings kein Problem. Als Tech-Millionär finanziert er nicht nur mühelos sein striktes Programm, sondern verdient daran: Er verkauft Supplements, Spezialprodukte und mehr unter seiner Marke. Doch er ist kein Einzelfall: Auch andere Influencer:innen im Biohacking-Bereich profitieren finanziell, sei es durch direkte Einnahmen aus dem Produktverkauf oder durch kostenlose Behandlungen und gesponserte Kooperationen. Diese vermeintliche Authentizität hat daher oft eine kommerzielle Basis, die den Follower:innen nicht immer bewusst ist.
Die Gefahren von Halbwissen und Selbsternennung
Ein zentrales Problem, das der Trend Biohacking mit sich bringt, ist das weit verbreitete Halbwissen und die zunehmende Selbsternennung vieler Anhänger:innen zu „Expert:innen“. Ohne medizinische Ausbildung oder wissenschaftliche Basis geben viele Biohacker:innen ihre Erfahrungen und Tipps weiter, ohne die tatsächlichen Risiken oder wissenschaftlichen Zusammenhänge zu verstehen. Wer sich in der Welt des Biohackings bewegt, riskiert, auf Ratschläge von Laien zu stoßen, die ihre persönliche Meinung für allgemeingültige Wahrheit halten. Dabei kann diese Unwissenheit nicht nur zu ineffektiven, sondern auch gefährlichen Praktiken führen – vor allem, wenn es um die Kombination von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln oder nicht getesteten Techniken geht.
Die Schattenseiten der Selbstdiagnose
Auch die Gefahr der Selbstdiagnose und eigenmächtigen Behandlung von körperlichen und geistigen Beschwerden ist eine weitere Hürde. Da viele Biohacker:innen auf medizinische Beratung verzichten und stattdessen auf ihre eigenen Recherchen und Erfahrungen setzen, laufen sie Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen. Häufig werden komplexe gesundheitliche Probleme durch einfache Rezepte ersetzt, die keine medizinische Grundlage haben. Nahrungsergänzungsmittel und andere Produkte werden unreflektiert eingenommen, weil sie als Longevity-Pillen vermarktet werden. Doch ohne die Kontrolle eines Arztes oder einem fundiertem Wissen kann dies fatale Folgen haben: Die Grenze zwischen harmlosen Selbstversuchen und gefährlicher Selbstbehandlung verschwimmt immer mehr, was besonders problematisch wird, wenn es um schwerwiegende gesundheitliche Herausforderungen geht. Von falsch eingestellten Geräten, über Kältebrände bis hin zu schädigung der Haut durch zu vieler Therapien ist vieles dabei.
Der schmale Grat zwischen Diät und Essstörung
Ein weiteres gefährliches Terrain ist die intensive Auseinandersetzung mit Ernährung. Im Kontext des Biohackings werden Diäten wie Intervallfasten, ketogene Ernährung oder extreme Detox-Kuren häufig als Allheilmittel angepriesen. Was zunächst nach einem positiven Ansatz für ein gesünderes Leben klingt, kann in extremen Fällen zu problematischen Verhaltensweisen führen. Diäten, die den Körper stark einschränken, sind nicht nur schwer durchzuhalten, sie können auch zu ernsthaften Essstörungen führen. Wer dem Drang zur Selbstoptimierung zu stark nachgibt, riskiert, den eigenen Körper zu entwerten und sich in einem Teufelskreis von Nahrungsverzicht und Überkontrolle zu verlieren. Insbesondere junge Menschen, die sich noch in einer Phase der Selbstfindung befinden, könnten durch die ständige Darstellung vermeintlich perfekter Körperbilder auf Social Media zu falschen Idealen getrieben werden.
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Ist Biohacking also doch nicht risikofrei?
Die Frage, ob Biohacking tatsächlich gut für uns ist oder sogar Risiken birgt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Wie so oft hängt es davon ab, wer es anwendet und wie. Viele Biohacking-Methoden basieren durchaus auf wissenschaftlich fundierten Ansätzen und bieten echte Vorteile. Therapien wie Kältekammern, IHHT (Intermittierende Hypoxie-Hyperoxie-Therapie) oder der Einsatz von Rotlicht haben schon vor Jahren in Studien gezeigt, dass sie positive Effekte auf Regeneration, Zell- und Hautgesundheit und Wohlbefinden haben können. Doch diese Technologien erfordern Wissen, eine professionelle Anwendung und eine klare Zielsetzung, um wirklich sinnvoll zu sein. Ohne die richtige Anleitung kann selbst die vielversprechendste Methode ins Gegenteil umschlagen – und so aus einer Chance ein Risiko werden.
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Fazit: Biohacking – zwischen Fortschritt und Gefahr
Biohacking ist also zweifellos ein Trend, der das Potenzial hat, den menschlichen Körper und Geist auf neue Weisen zu verstehen und zu optimieren. Doch die Risiken sind nicht zu unterschätzen. Während Selbstverbesserung und das Streben nach mehr Gesundheit und Leistung durchaus lobenswerte Ziele sein können, müssen Biohacker:innen sich der Schattenseiten dieses Trends bewusst sein: Die Gefahren von falschen Behandlungen, Essstörungen, unrealistischen Idealen und Halbwissen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wer also auf den Trend Biohacking aufspringt, sollte immer die gesundheitlichen Implikationen hinterfragen und den Dialog mit Experte:innen suchen.
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