Schlaganfall: Neue Hoffnung durch innovative Behandlungsmethoden

Schlaganfall

Neue Hoffnung für Schlaganfall-Betroffene

Ein Schlaganfall kann das Leben von heute auf morgen radikal verändern und die Betroffenen und ihre Familien vor immense Herausforderungen stellen. Jährlich erleiden in Österreich rund 19.000 Menschen diesen schockierenden medizinischen Notfall, der von leichten Beeinträchtigungen bis hin zu schweren Behinderungen oder sogar zum Tod führen kann. Tatsächlich ist der Schlaganfall in Österreich die dritthäufigste Todesursache, nur noch übertroffen von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Es ist alarmierend, dass weltweit jeder vierte Mensch irgendwann in seinem Leben einen Schlaganfall erleidet. Doch inmitten dieser erschreckenden Zahlen gibt es heute dank medizinischer Innovationen neue Hoffnung für die Betroffenen.

„Time is Brain“: Der entscheidende Faktor Zeit

Ein Schlaganfall, auch Hirnschlag genannt, tritt auf, wenn die Blutzufuhr zu einem Teil des Gehirns unterbrochen wird, was zum Absterben von Gehirnzellen führt. Die Schnelligkeit, mit der die Behandlung eingeleitet wird, spielt eine entscheidende Rolle für das Ausmaß des Schadens. Ohne schnelles Eingreifen kann das betroffene Hirngewebe irreversibel geschädigt werden, was zu massiven neurologischen Ausfällen führen kann. Die Redewendung „Time is Brain“ bringt die Dringlichkeit der akuten Schlaganfallbehandlung treffend auf den Punkt. Jede Sekunde zählt, denn pro Minute, in der das Gehirn ohne Sauerstoff ist, sterben etwa 1,9 Millionen Nervenzellen ab. Der Ort des Schlaganfalls im Gehirn, die Größe des betroffenen Bereichs und die Schnelligkeit der medizinischen Behandlung entscheiden über das Ausmaß der neurologischen Schäden. Insbesondere bei ischämischen Schlaganfällen, bei denen ein Blutgerinnsel ein Gefäß im Gehirn blockiert, ist schnelles Handeln entscheidend, um die Blutversorgung wiederherzustellen. „Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall. Jede Minute, die wir verlieren, bedeutet für den Patienten einen weiteren Verlust von Hirngewebe“, betont Dr.in Julia Ferrari, Präsidentin der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft und Leiterin der Abteilung für Neurologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien.

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Fortschritte in der Akuttherapie

Die Medizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei der Behandlung von Schlaganfällen gemacht. Eine der wichtigsten Neuerungen ist das Medikament Tenecteplase. Es wurde kürzlich für die Behandlung einer speziellen Art von Schlaganfall, dem akuten ischämischen Schlaganfall, zugelassen. Bei diesem Schlaganfall blockiert ein Blutgerinnsel die Blutversorgung des Gehirns, was zu Hirnschäden führen kann. Tenecteplase hilft, diese Gerinnsel aufzulösen. Dadurch kann der Blutfluss wiederhergestellt und das Fortschreiten der Schädigung im Gehirn gestoppt werden.

„Besonders vorteilhaft ist, dass es schnell und einfach mit nur einer Spritze verabreicht werden kann, was in der Notfallversorgung entscheidend ist“, sagt Dr. Jörg Weber, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN). Diese Entwicklung ist sehr wichtig, da bei einem Schlaganfall jede Minute zählt. Mit dieser raschen und effektiven Behandlungsmöglichkeit kann die Schlaganfallsterblichkeit deutlich gesenkt und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden. Studien zeigen, dass diese Therapie besonders wirksam ist, wenn sich das Blutgerinnsel in großen Blutgefäßen befindet. Bei rechtzeitiger Behandlung können schwere Hirnschäden oft verhindert werden.

Erweiterte Behandlungsfenster: Hoffnung für mehr Betroffene

Neben der Einführung von Tenecteplase haben sich auch die Zeiträume, in denen Schlaganfälle behandelt werden können, stark verändert. Bei der sogenannten endovaskulären Therapie wird ein Blutgerinnsel, das ein Blutgefäß blockiert, direkt mit einem Katheter entfernt. Früher musste diese Behandlung innerhalb von sechs Stunden nach dem Schlaganfall durchgeführt werden, aber neue Forschungsergebnisse zeigen, dass sie jetzt in vielen Fällen bis zu 24 Stunden nach dem Schlaganfall durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit haben, die Betroffenen zu behandeln. „Wir haben heute die Möglichkeit, in einem deutlich erweiterten Zeitrahmen zu handeln und dadurch mehr Leben zu retten“, sagt Weber. Auch die Zeit, in der eine Behandlung mit gerinnselauflösenden Medikamenten möglich ist, hat sich verlängert. Früher konnte diese Therapie nur innerhalb von viereinhalb Stunden nach dem Schlaganfall durchgeführt werden. Jetzt können Ärzt:innen diese Methode je nach Situation bis zu neun Stunden nach dem Schlaganfall anwenden. Das gibt vielen Patient:innen, die nicht sofort behandelt werden konnten, eine wertvolle Chance auf Besserung.

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Neuer Behandlungsansatz bei intrazerebralen Blutungen

Intrazerebrale Blutungen sind eine besonders gefährliche Form des Schlaganfalls, die etwa 15 % aller Fälle ausmachen und zu schweren Schäden im Gehirn führen können. Bei dieser Form des Schlaganfalls ist schnelles Handeln entscheidend, denn je schneller die Behandlung einsetzt, desto besser sind die Überlebenschancen der Patient:innen. Ein neuer Behandlungsansatz namens „Bundle of Care“ hat sich als äußerst wirksam erwiesen und verbessert die Überlebenschancen deutlich. Dieser Ansatz umfasst mehrere wichtige Maßnahmen, die innerhalb der ersten Stunde nach der Einlieferung ins Krankenhaus durchgeführt werden sollten. Dazu gehört die Senkung des Blutdrucks, da ein hoher Blutdruck die Blutung verschlimmern kann. Die Kontrolle des Blutzuckerspiegels ist ebenfalls wichtig, da ein stabiler Blutzuckerspiegel die Genesung unterstützt. Zudem sollte die Wirkung von Blutverdünnern schnell unterbrochen werden, da diese Medikamente das Blutungsrisiko erhöhen können. Durch die Kombination dieser Maßnahmen im Rahmen des „Bundle of Care“ können Ärzt:innen die Behandlung effizienter gestalten und die Heilungschancen der Betroffenen deutlich erhöhen.

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Risikofaktor Luftverschmutzung

Die wichtigsten Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind bekannt: Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen. Neueste Forschungsergebnisse weisen jedoch auf einen weiteren wichtigen Faktor hin: Luftverschmutzung. Die Präsidentin der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft, Julia Ferrari, erklärt: „Ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor ist auch die Luftverschmutzung, bei der durch Mechanismen wie prokoagulatorische Effekte, Inflammation und Endotheldysfunktionen das Risiko für Schlaganfälle und kardiovaskuläre Erkrankungen steigt.“ Luftverschmutzung wirkt sich auf verschiedene Weise auf den Körper aus. Sie verursacht chronische Entzündungen, die die Blutgefäße schädigen, die Bildung von Blutgerinnseln fördern und die Atherosklerose beschleunigen. Atherosklerose ist die Bildung von Ablagerungen in den Arterien, die diese verengen und das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte erhöhen. „Zusammengefasst bedeutet das, dass Luftverschmutzung das Blut dicker und klebriger macht, Entzündungen auslöst und die Blutgefäße schädigt, was das Schlaganfallrisiko deutlich erhöht“, fügt die Neurologin hinzu.

Kann man Schlaganfälle vorbeugen?

Prävention bleibt der effektivste Weg, Schlaganfälle zu verhindern. Bis zu 80 % aller Schlaganfälle könnten laut Expert:innen durch einfache Maßnahmen im Lebensstil vermieden werden. Dazu gehören:

  • Nicht rauchen: Rauchen schädigt die Blutgefäße und erhöht das Risiko von Blutgerinnseln, was die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls erheblich steigert. Der Verzicht auf Tabakprodukte kann die allgemeine Herzgesundheit verbessern und das Schlaganfallrisiko senken.
  • Ein gesundes Körpergewicht halten (BMI unter 25 kg/m²): Übergewicht und Adipositas sind mit einem höheren Risiko für Bluthochdruck und Diabetes verbunden, die beide bedeutende Risikofaktoren für Schlaganfälle darstellen. Ein gesundes Gewicht hilft, den Blutdruck zu regulieren und die Gefäßgesundheit zu fördern.
  • Eine mediterrane Ernährung: Diese Ernährungsweise ist reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, gesunden Fetten (wie Olivenöl) und magerem Protein, was entzündungshemmende Eigenschaften hat und das Herz-Kreislauf-System schützt. Studien haben gezeigt, dass eine mediterrane Ernährung mit einem geringeren Schlaganfallrisiko verbunden ist.
  • Reduzierter oder kein Alkoholkonsum (weniger als 100 g/Woche): Übermäßiger Alkoholkonsum kann den Blutdruck erhöhen und das Risiko für Schlaganfälle steigern. Ein moderater oder reduzierter Alkoholkonsum unterstützt die allgemeine Gesundheit des Herzens und verringert das Schlaganfallrisiko.
  • Regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens 150 bis 300 Minuten moderate Aktivität pro Woche): Bewegung stärkt das Herz-Kreislauf-System, verbessert die Durchblutung und hilft, ein gesundes Körpergewicht zu halten. Studien zeigen, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko von Bluthochdruck und Diabetes verringert, die beide zu Schlaganfällen führen können.
  • Regelmäßige Überprüfung und Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren: Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen sind wichtige Risikofaktoren für Schlaganfälle. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung dieser Erkrankungen können das Risiko eines Schlaganfalls erheblich reduzieren und die allgemeine Gesundheit fördern.

 

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Symptome erkennen und sofort handeln!

Die rechtzeitige Erkennung der Symptome ist entscheidend, um schnell zu handeln. Hier kommt der FAST-Score ins Spiel, ein einfaches Akronym, das dir hilft, die Anzeichen eines Schlaganfalls schnell zu identifizieren:

  • Face (Gesicht): Bitte die Person, zu lächeln. Ein hängender Mundwinkel könnte auf eine Lähmung hindeuten.
  • Arms (Arme): Bitte die Person, beide Arme zu heben. Wenn ein Arm herabsinkt oder nicht gehoben werden kann, könnte das auf eine Lähmung hinweisen.
  • Speech (Sprache): Bitte die Person, einen einfachen Satz nachzusprechen. Schwierigkeiten beim Aussprechen von Wörtern oder undeutliche Sprache sind weitere Warnsignale.
  • Time (Zeit): Tritt eines dieser Symptome auf, ist es entscheidend, sofort den Notruf zu wählen, denn bei einem Schlaganfall zählt jede Minute.

Zusätzlich zu diesen klassischen Symptomen können folgende Warnsignale auftreten:

  • Plötzliche Sehstörungen: Dazu gehören verschwommenes Sehen oder der Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen.
  • Plötzliche starke Kopfschmerzen: Oft beschrieben als der schlimmste Kopfschmerz des Lebens, ohne erkennbare Ursache.
  • Plötzliche Gleichgewichtsstörungen oder Koordinationsprobleme: Schwierigkeiten beim Gehen, Schwindel oder Verlust des Gleichgewichts können ebenfalls auf einen Schlaganfall hinweisen.

 

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Schlaganfall-Rettungskette

Um die besten Heilungschancen zu sichern und Folgeschäden zu minimieren, ist die Rettungskette für einen Schlaganfall entscheidend. Sie umfasst folgende Schritte:

  1. Erkennung der Symptome: Du oder Angehörige bemerken die oben genannten Symptome.
  2. Notruf absetzen: Sofortige Kontaktaufnahme mit den Rettungsdiensten unter der Notrufnummer (z. B. 112 in Europa).
  3. Warten auf den Rettungsdienst: Ruhig bleiben und die Person bis zum Eintreffen der Rettungskräfte stabilisieren. Die Person sollte nicht allein gelassen werden.
  4. Erstversorgung durch Rettungskräfte: Diese stabilisieren den Zustand des Patienten oder der Patientin.
  5. Transport ins Krankenhaus: Schnelle und sichere Beförderung des Patienten oder der Patientin in ein Krankenhaus mit einer Schlaganfallstation (Stroke Unit), wo sofortige Diagnostik und Behandlung erfolgen.
  6. Akuttherapie im Krankenhaus: Hier erfolgt die gezielte Behandlung des Schlaganfalls, z. B. durch Thrombolyse oder endovaskuläre Therapie, je nach Art des Schlaganfalls.

Mit diesen Informationen im Hinterkopf wird deutlich, wie wichtig es ist, die Symptome eines Schlaganfalls schnell zu erkennen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen.

Die Bedeutung der Nachsorge: Die „Stroke Card“

Ein wichtiger Fortschritt in der Nachsorge von Schlaganfallpatient:innen wurde durch die in Innsbruck und Wien durchgeführte „Stroke Card“-Studie erzielt. Diese Studie hat gezeigt, dass ein gut organisiertes Nachsorgeprogramm, bei dem die Betroffenen drei Monate nach dem Schlaganfall umfassend untersucht werden, das Risiko eines weiteren Schlaganfalls um 35 % senken kann. „Etwa 30 % der Patienten müssen im ersten Jahr nach einem Schlaganfall erneut ins Krankenhaus, aber mit der Stroke Card können wir das deutlich reduzieren“, sagt Ferrari. Das Nachsorgeprogramm verbessert nicht nur die medizinische Betreuung, sondern auch die Lebensqualität der Patient:innen. Nach einem Schlaganfall können viele Probleme wie ein erneuter Schlaganfall, Stürze oder auch Depressionen auftreten. Durch eine gut strukturierte Nachsorge können diese Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden, was den Betroffenen hilft, besser mit den Folgen des Schlaganfalls umzugehen.

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Jeder Schlaganfall ist ein Notfall

Beim Schlaganfall ist der Wettlauf gegen die Zeit entscheidend. Vom ersten Erkennen der Symptome über die rasche medizinische Behandlung bis hin zur Nachsorge zählt jede Minute. „Ein Schlaganfall betrifft jedoch nicht nur die Patient:innen selbst – auch die Angehörigen müssen mit den oft tiefgreifenden Folgen leben“, erinnert Ferrari. Neben der Akutbehandlung darf daher die Unterstützung der Familien nicht vergessen werden, um sowohl den Patient:innen als auch ihren Angehörigen eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen.

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