Rheuma: Können die neuen Therapien revolutionär sein?

Können personalisierte Therapien die Lebensqualität der Rheuma-Patient:innen verbessern?

Eine der am meisten unterschätzten Krankheiten

„Wie soll ich den Tag überstehen? Werde ich die Schmerzen in meinen Gelenken heute ertragen können?“ – diese Fragen begleiten täglich viele Menschen, die mit Rheuma leben. Die Krankheit greift das Immunsystem an und lässt es die eigenen Gelenke angreifen, was zu Entzündungen, Schmerzen und Einschränkungen in der Beweglichkeit führt.

Rheuma ist eine der häufigsten, aber auch eine der am meisten unterschätzten Krankheiten in Österreich, von der rund 300.000 Menschen betroffen sind. Die Folgen für das tägliche Leben sind enorm: Für viele sind einfache Tätigkeiten wie Treppensteigen oder das Öffnen eines Marmeladenglases mit großem Aufwand verbunden.

Doch es gibt einen Lichtblick: Ein Forscherteam aus Wien hat einen völlig neuen Ansatz entwickelt, der es ermöglicht, die Behandlung von Rheuma viel gezielter auf die einzelnen Patient:innen abzustimmen. Was zunächst wie eine kleine Verbesserung erscheinen mag, könnte sich als ein echter Durchbruch herausstellen, der die Behandlung von Rheuma für immer verändert.

Erkrankung, die lebenslang begleitet

Bevor wir in die Details dieser neuen Entdeckung eintauchen, ein kurzer Überblick, was genau Rheuma ist. Rheuma, oder auch Rheumatoide Arthritis genannt, ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem die Gelenke angreift und Entzündungen verursacht.

Diese Entzündungen führen zu Schmerzen, Schwellungen und eingeschränkter Beweglichkeit. Rheuma ist eine chronische Krankheit, das bedeutet, sie bleibt über lange Zeit bestehen – oft ein Leben lang. Wenn sie nicht richtig behandelt wird, kann sie zu bleibenden Schäden an den Gelenken führen.

Rheuma ist jedoch nicht nur eine Gelenkerkrankung, wie viele Menschen noch immer glauben. Es handelt sich um eine systemische Erkrankung, die den ganzen Körper betreffen kann. Bei Rheuma entzünden sich nicht nur die Gelenke, sondern es kann auch zu Schäden an anderen Organen kommen – sogar lebenswichtigen wie dem Herzen oder den Lungen. Diese Komplikationen machen die Krankheit zu einer ernsthaften Bedrohung für die Gesundheit und Lebensqualität der Patienten.

Ein weiteres trauriges Ergebnis dieser Erkrankung ist, dass ein Drittel der Menschen mit rheumatoider Arthritis nach fünf Jahren nicht mehr in der Lage sind, ihrer Arbeit nachzugehen. Die Krankheit sorgt jährlich für rund 9,5 Millionen Krankenstandstage – eine Zahl, die zeigt, wie sehr diese Krankheit das Leben der Betroffenen einschränken kann.

Rheuma ist zudem der zweithäufigste Grund für Frühpensionierungen in Österreich. Das bedeutet, dass viele Menschen mit Rheuma nicht nur Schmerzen und Einschränkungen im Alltag ertragen müssen, sondern auch berufliche und finanzielle Schwierigkeiten.

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Krankheit betrifft auch junge Menschen

Die gängigste Annahme ist, dass Rheuma vor allem ältere Menschen betrifft. Doch diese Krankheit kann in jedem Alter auftreten, auch bei jungen Menschen. Dieser Mythos führt dazu, dass die Erkrankung oft zu spät erkannt wird – und eine späte Diagnose bedeutet häufig auch eine schlechtere Prognose.

Besonders hart trifft es viele junge Menschen, die trotz der frühen Diagnose von Rheuma ihre berufliche Laufbahn und ihre Lebensqualität erheblich eingeschränkt sehen. Ein Leben mit Rheuma bedeutet nicht nur die ständigen Schmerzen, sondern auch die Angst vor möglichen Komplikationen wie Herzkrankheiten, Lungenentzündungen oder schwerwiegenden Gelenkschäden.

Das Risiko, dass Menschen mit Rheuma auch andere schwere Erkrankungen entwickeln, ist erheblich. So haben Patient:innen mit rheumatoider Arthritis ein deutlich höheres Risiko für Herzinfarkte, und Menschen mit rheumatischen Erkrankungen, die zusätzlich an Krebs erkranken, sterben oft früher als Menschen ohne Rheuma. Besonders junge Menschen und Frauen sind von dieser sogenannten „Sterblichkeitslücke“ betroffen.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es gute Nachrichten: Fortschritte in der Forschung und Therapie machen die Behandlung von Rheuma immer besser. Auch die medizinische Versorgung hat sich in den letzten Jahren stark verbessert, was den Patient:innen hilft, ihre Symptome zu lindern und ihre Lebensqualität zu steigern. Doch umso wichtiger ist es, frühzeitig eine richtige Diagnose zu stellen und die richtige Behandlung zu finden.

Herausforderungen der Behandlung: Fachärztemangel und Mythen

In Österreich gibt es jedoch auch eine große Herausforderung bei der Behandlung von Rheuma: Es mangelt an Fachärzt:innen. Aktuell gibt es für etwa 300.000 rheumakranke Menschen nur rund 300 Rheumatolog:innen. Und der Bedarf wächst.

In den nächsten zehn Jahren wird geschätzt, dass 40 Prozent der Rheuma-Spezialist:innen in den Ruhestand gehen. Das könnte zu einem großen Problem werden, besonders da immer mehr Menschen an rheumatischen Erkrankungen leiden. Der Fachkräftemangel könnte dazu führen, dass Patienten nicht rechtzeitig die nötige Behandlung erhalten.

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Durchbruch in der individuellen Medizin

Es gibt viele Medikamente, die helfen, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Krankheit zu bremsen. Aber welches Medikament ist das beste für jede einzelne Person? Bis jetzt gab es keine perfekte Lösung, weil Medikamente bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich wirken können. Doch jetzt haben Forscher:innen und Ärzt:innen einen neuen Ansatz entwickelt, der das ändern könnte.

Die Forscher:innen der MedUni Wien haben ein revolutionäres Modell entwickelt, das die Behandlung von Rheuma komplett neu denkt. Ihr Modell berücksichtigt nicht nur, welche Medikamente gegen Rheuma helfen, sondern auch, welche Medikamente für die einzelnen Patient:innen unter ihren persönlichen Gesundheitsbedingungen am sichersten sind.

Das Besondere an diesem Modell ist, dass es nicht nur die Krankheit selbst, sondern den ganzen Menschen im Blick hat. Statt einfach das Standardmedikament zu verschreiben, wird der gesamte Gesundheitszustand des Patienten betrachtet. Dieser innovative Ansatz wird als „therapeutisches Matchmaking“ bezeichnet. Das Ziel ist, nicht nur die Krankheit zu bekämpfen, sondern auch das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Wie funktioniert dieser neue Ansatz?

Das Modell, das Aletaha und Konzett entwickelt haben, funktioniert wie eine Art „Matchmaker“ für Behandlungen. Es hilft Ärzt:innen dabei, die richtige Therapie zu finden, die nicht nur gegen Rheuma wirkt, sondern auch die Sicherheitsbedürfnisse des Patienten berücksichtigt. Wie läuft das genau ab?

Wenn ein:e Patient:in mit Rheuma zu:r Ärzt:in kommt, wird nicht nur über die Krankheit gesprochen, sondern auch über andere gesundheitliche Probleme. Hat die Person noch andere Erkrankungen wie z. B. eine Herzinsuffizienz oder Diabetes? Welche Medikamente nimmt die Person noch ein?

All diese Faktoren werden berücksichtigt, wenn die Ärztin oder der Arzt eine Behandlung vorschlägt. Ein Medikament, das bei den meisten Menschen gut funktioniert, könnte für jemanden mit einer anderen Krankheit gefährlich sein. So wird sichergestellt, dass die Therapie nicht nur hilft, sondern auch sicher ist.

Doch das Modell geht noch weiter: Es bezieht auch die persönlichen Wünsche der Patient:innen mit ein. Manche Menschen bevorzugen Tabletten, andere lieber Spritzen oder Infusionen. Manche möchten ihre Behandlung zu Hause durchführen, andere kommen lieber regelmäßig zur Klinik. Bei der Auswahl der Therapie wird all das berücksichtigt, um die bestmögliche Lösung für jede einzelne Person zu finden.

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Was bedeutet das für die Zukunft?

Was sich hier nach einer kleinen Verbesserung anhört, könnte langfristig die gesamte medizinische Landschaft verändern. Dieser neue Ansatz könnte nicht nur für Rheuma, sondern auch für viele andere Krankheiten die Art und Weise revolutionieren, wie wir Behandlungen auswählen. Denn in Zukunft wird es nicht mehr nur darum gehen, ein Medikament zu finden, das gegen eine Krankheit wirkt, sondern auch darum, welches Medikament am besten zu:r individuellen Patient:in passt.

Vielleicht kennen wir bald eine Zukunft, in der jede:r Patient:in mit einer individuell auf sie/ihn abgestimmten Behandlung versorgt wird, die nicht nur die Krankheit bekämpft, sondern auch sicher und angenehm im Umgang ist. Ein Schritt in eine personalisierte Medizin, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und in der niemand mehr „die falsche Therapie“ erhält.

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