Revolution in der Neurochirugie: KI-Modell aus Wien erkennt in 10 Sekunden einen Hirntumor

Wiener-Erfolgsprojekt mit internationaler Zusammenarbeit

Die Neurochirurgie steht vor einer beeindruckenden Weiterentwicklung dank moderner KI-Technologien. In Wien haben führende Forscher:innen ein innovatives Modell entwickelt, das den Weg zur Diagnose und Behandlung von Hirntumoren maßgeblich verändert. Ein spezielles KI-System namens „Fast Glioma“ könnte künftig einen Standard in der Neurochirurgie setzen.

„Fast Glioma“ ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Spezialist:innen der Medizinischen Universität Wien, des AKH Wien und weiteren internationalen Partnern. Neurochirurgen wie Georg Widhalm und Lisa Körner haben seit 2020 intensiv daran gearbeitet, diese KI-basierte Technik zu implementieren. Bisher wurden bereits rund 500 Operationen erfolgreich mit dem Einsatz der KI-Histopathologie durchgeführt. Der nächste Meilenstein: die Publikation der Studie im angesehenen Fachjournal Nature, in Kooperation mit Forscherteams der University of Michigan, University of California in San Francisco und der New York University. Doch was macht „Fast Glioma“ so besonders?

Präzision ist entscheidend bei der Entfernung eines Hirntumor

Die Entfernung eines Hirntumors erfordert äußerste Präzision, da es sich um einen hochkomplexen und zeitkritischen Eingriff handelt. Wenn zu wenig Gewebe entfernt wird, können verbleibende Krebszellen erneut wachsen und die Krankheit vorantreiben. Wird hingegen zu viel Gewebe entnommen, können wichtige Funktionen des Gehirns, wie Sprache und Bewegung, beeinträchtigt werden. Genau hier setzt das KI-Modell „Fast Glioma“ an, das speziell zur Diagnose und Analyse von Gliomen entwickelt wurde – Tumoren, die sowohl das Gehirn als auch das Rückenmark befallen und in ihrer Struktur Gliazellen ähneln.

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Von 30 Minuten auf Sekunden reduziert

Bislang benötigte die Diagnose einer entnommenen Gewebeprobe bis zu 30 Minuten. Diese Zeitspanne ist entscheidend, um festzustellen, ob das entnommene Gewebe Tumorzellen enthält. Der Tumor infiltriert häufig gesundes Gewebe, was eine präzise und rasche Analyse erfordert. Das Wiener Modell „Fast Glioma“ reduziert diese Zeit drastisch: In nur zehn Sekunden liefert es ein vorläufiges Ergebnis – eine bahnbrechende Verbesserung gegenüber der traditionellen Methode.

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Genauigkeit von 90 Prozent

Die herkömmlichen Verfahren haben Hochrisikotumore in etwa 25 Prozent der Fälle übersehen, während dieser Wert bei der neuen KI nur bei 3,8 Prozent lag. Die Ergebnisse sprechen für sich: Die schnellere Diagnostik mit einer Genauigkeit von 90 Prozent führt zu kürzeren Operationszeiten und senkt das Risiko für Komplikationen. Dadurch verbessern sich die Überlebensraten und die Lebensqualität der Patient:innen, da der genaue Umfang der Tumorentfernung besser eingeschätzt werden kann.

Mehr Sicherheit für Patient:innen mit Hirntumor

Das Hauptziel von „Fast Glioma“ ist es, die Prognose für Hirntumorpatient:innen zu verbessern. Eine präzisere und schnellere Diagnose ermöglicht es Chirurgen, Tumore exakter zu entfernen, was die Rückfallquote senkt und die Überlebenschancen erhöht. Die geringere Notwendigkeit, gesunde Bereiche zu entfernen, schützt wichtige Hirnfunktionen und erhält die Lebensqualität der Betroffenen.

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Training mit Millionen von Bildern

Die Grundlage für den Erfolg des KI-Systems bildet ein umfangreiches Training mit rund vier Millionen Gewebebildern. Dieser Trainingsprozess wurde durch neuropathologische und molekularbiologische Analysen der Wiener Forschungsgruppe unterstützt. Diese detaillierten Daten halfen maßgeblich dabei, die Genauigkeit von „Fast Glioma“ zu optimieren. Die Forscher:innen sind überzeugt, dass sich das System auf viele weitere Anwendungsbereiche in der Medizin übertragen lässt.

Während der Operation werden die Gewebeproben mithilfe der KI analysiert, und innerhalb weniger Sekunden wird angezeigt, ob der Tumor vollständig entfernt wurde oder ob eine weitere Gewebeentnahme notwendig ist.
Während der Operation werden die Gewebeproben mithilfe der KI analysiert, und innerhalb weniger Sekunden wird angezeigt, ob der Tumor vollständig entfernt wurde oder ob eine weitere Gewebeentnahme notwendig ist.

Potenzial für weitere Tumortypen

Die Forschergruppe sieht großes Potenzial, das System auch auf andere Hirntumore sowie auf verschiedene Krebsarten anzuwenden. Das Ziel ist es, die Methode auf mehr als 120 bekannte Tumortypen auszuweiten. In zukünftigen Studien will das Team untersuchen, wie sich das Prinzip auf Krebsarten wie Lungen-, Kopf- und Halskrebs, sowie Prostata- und Brustkrebs anwenden lässt.

Die von Wien ausgehende Innovation markiert den Beginn einer neuen Ära für die medizinische Diagnostik. Experten wie Co-Autor Aditya Pandey von der University of Michigan betonen das Potenzial solcher visueller KI-Modelle, ohne umfangreiche Anpassungen auch für andere Krebsarten nützlich zu sein. Diese Weiterentwicklung in der Medizin könnte weitreichende Auswirkungen auf die Behandlung und Diagnose von Krebserkrankungen haben, was langfristig die Therapiemöglichkeiten und Heilungschancen revolutioniert.

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