Männerpsyche: Warum manche Krankheiten unbemerkt bleiben

Warum bleiben manche psychischen Krankheiten bei Männern oft undiagnostiziert?
Disclaimer: Die Informationen in diesem Text dienen ausschließlich allgemeinen Bildungs- und Informationszwecken und ersetzen keinesfalls eine professionelle medizinische oder psychologische Beratung. Psychische Erkrankungen sind komplexe und individuelle Zustände, die einer professionellen Diagnose und Behandlung bedürfen.

Ein oft übersehenes Thema

Heute, am 10. Oktober, ist Welttag der psychischen Gesundheit. Dieser Tag lenkt die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen, mit denen Menschen mit psychischen Erkrankungen konfrontiert sind. Ein zentraler Aspekt ist dabei die hohe Zahl von Menschen, die ohne Diagnose und Behandlung leben. Besonders besorgniserregend ist die Situation der männlichen Betroffenen, die oft im Stillen leiden.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nehmen nur wenige Männer im Vergleich zu Frauen die nötige Hilfe in Anspruch, obwohl sie ebenso häufig betroffen sind. Zudem sind Männer deutlich häufiger von Obdachlosigkeit betroffen, kämpfen häufiger mit Alkoholabhängigkeit und zeigen eine höhere Neigung zum Drogenkonsum.

Trotz des wachsenden Bewusstseins für psychische Gesundheit halten tief verwurzelte gesellschaftliche Normen und Erwartungen viele Männer davon ab, ihre Ängste und Sorgen offen zu kommunizieren und die dringend benötigte Unterstützung zu suchen.

Warum Männer oft über ihre psychische Gesundheit schweigen

Psychische Erkrankungen sind ein weit verbreitetes Problem, das weltweit Millionen von Menschen betrifft. Es wird geschätzt, dass jeder vierte Mensch im Laufe seines Lebens mit einer psychischen Erkrankung konfrontiert wird.

Interessanterweise zeigen Statistiken, dass Männer in vielen Fällen seltener Hilfe suchen und oft erst spät behandelt werden, was zu einer weiteren Verschlechterung ihres Zustands führen kann. Eine Erhebung des NHS Statistics ergab, dass Männer seltener Psycholog:innen oder Therapeut:innen aufsuchen, selbst wenn sie unter Depressionen oder Angstzuständen leiden.

Stattdessen neigen viele Männer dazu, ihre Probleme zu verbergen und auf ungesunde Bewältigungsmechanismen wie Alkoholmissbrauch oder exzessiven Sport zurückzugreifen. Diese Verhaltensweisen sind oft Ausdruck eines tiefer liegenden Problems, das nicht angesprochen wird.

Die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen spielt eine entscheidende Rolle dabei, dass Männer seltener Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Männer wachsen mit der Vorstellung auf, dass sie stark und unabhängig sein müssen, was dazu führt, dass sie ihre Gefühle unterdrücken und Schwäche nicht zeigen wollen.

Männer, die über ihre Probleme sprechen, werden oft als schwach oder verletzlich angesehen. Diese negative Wahrnehmung führt dazu, dass viele Männer glauben, dass es nicht akzeptabel ist, sich Hilfe zu holen.

Neben der gesellschaftlichen Stigmatisierung können Männer auch in ihrem persönlichen Umfeld auf Ablehnung oder Verständnislosigkeit stoßen, wenn sie sich offenbaren. Diese Erfahrungen können dazu führen, dass sie sich noch mehr zurückziehen und sich nicht trauen, über ihre Gefühle zu sprechen, was den Teufelskreis verstärkt.

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Unterschiedliche Symptome im Vergleich zu Frauen

Ein weiterer Grund, warum psychische Erkrankungen bei Männern oft übersehen werden, ist die Tatsache, dass sich die Symptome bei Männern und Frauen unterschiedlich äußern können. Während Frauen eher zu emotionalen Ausdrucksformen wie Weinen oder Rückzug neigen, verhalten sich Männer oft impulsiver oder drücken ihren Ärger und ihre Frustration auf andere Weise aus.

Diese Unterschiede in der Symptomausprägung können dazu führen, dass psychische Erkrankungen bei Männern oft nicht erkannt werden. Beispielsweise können viele Männer, die mit Depressionen zu kämpfen haben, aggressives Verhalten oder übermäßigen Stress zeigen, was von ihrem Umfeld nicht unbedingt als Hinweis auf eine psychische Erkrankung wahrgenommen wird.

In unserem Video spricht Schauspieler und Podcaster Max Ortner über seinen Weg in die Essstörung und wie ihn Panikattacken jahrelang begleitet haben.

Depressionen oft weniger ernst genommen

Depressionen bei Männern werden oft als weniger sichtbar und weniger ernst genommen, was zu einer unzureichenden Behandlung führt. Viele Männer erleben Symptome wie anhaltende Traurigkeit, Reizbarkeit, Verlust des Interesses an Aktivitäten, die früher Freude bereitet haben, sowie körperliche Beschwerden wie Müdigkeit oder Schlafstörungen.

Anstatt diese Gefühle offen zu kommunizieren, neigen sie häufig dazu, ihre Emotionen zu verbergen oder mit Wut und Aggression zu reagieren, was das Risiko von Missverständnissen und Stigmatisierung erhöht. Die gesellschaftliche Erwartung, stark und unabhängig zu sein, hält viele Männer davon ab, Hilfe zu suchen und offen über ihre psychischen Herausforderungen zu sprechen.

Diese Unterdrückung kann zu einer Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit und in schweren Fällen sogar zu Suizidgedanken führen. Es ist wichtig, das Bewusstsein für die spezifischen Ausdrucksformen von Depressionen bei Männern zu schärfen und sichere Räume zu schaffen, in denen sie über ihre Gefühle sprechen und Unterstützung finden können.

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Essstörungen bei Männern: Ein schleichendes Problem

Essstörungen sind in der heutigen Gesellschaft ein wachsendes Problem, das häufig mit Frauen in Verbindung gebracht wird. Aber auch Männer sind davon betroffen und die Zahlen steigen alarmierend an. Während in der Öffentlichkeit zunehmend über unrealistische Körperideale und deren Auswirkungen auf Frauen diskutiert wird, wird die Realität von Essstörungen bei Männern oft übersehen.

Studien zeigen, dass etwa ein Drittel der Menschen mit Essstörungen männlich sind. Diese Störungen können verschiedene Formen annehmen, darunter Anorexie, Bulimie und Binge-Eating-Störung, und sind häufig mit einem verzerrten Körperbild, einer übertriebenen Konzentration auf Sport und Ernährung sowie emotionalen Problemen verbunden.

Der Druck eines idealen Männerkörpers

Die Vorstellung eines idealen männlichen Körpers und die damit verbundenen Erwartungen können besonders belastend sein. Körperdysmorphe Störung, ein obsessiver Fokus auf wahrgenommene Mängel im eigenen Körper, kann sowohl Männer als auch Frauen betreffen.

Traditionell wurden Essstörungen oft als ein Problem angesehen, das vor allem Frauen betrifft, was dazu führte, dass die Symptome und Verhaltensweisen bei Männern nicht ausreichend wahrgenommen wurden. Während bei Frauen das Streben nach Schlankheit und einem bestimmten Schönheitsideal im Vordergrund steht, sieht die Realität bei Männern oft anders aus.

Viele Männer streben nach einem muskulösen Körper, was zu Verhaltensweisen führt, die auf Gewichtszunahme oder Muskelaufbau abzielen. Das kann dazu führen, dass auf Nahrungsergänzungsmittel statt ausgewogener Ernährung zurückgegriffen wird und übermäßig trainiert wird. Eine übermäßige Konzentration auf Ernährung und Sport kann sich sowohl auf die körperliche als auch auf die psychische Gesundheit auswirken und zu einer körperdysmorphen Störung führen.

Männer mit Essstörungen können gesundheitliche Probleme entwickeln, die von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu psychischen Störungen reichen. Der äußere Schein trügt oft, denn die innere Not und der psychische Druck sind nicht immer sichtbar.

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Der Einfluss sozialer Medien

Die Verbreitung von Bildern extrem muskulöser Männer in sozialen Medien und in der Werbung trägt zur Entstehung unerreichbarer Körperideale bei. Viele junge Männer fühlen sich durch diese Bilder unter Druck gesetzt, einem bestimmten Ideal zu entsprechen, was zu ungesunden Verhaltensweisen führen kann.

Soziale Medien können die Tendenz verstärken, sich mit anderen zu vergleichen und ungesunde Essgewohnheiten zu entwickeln. Das mit psychischen Erkrankungen verbundene Stigma führt häufig dazu, dass Männer ihre Symptome verleugnen und zögern, Hilfe zu suchen.

Die Vorstellung, dass Männer „stark“ sein müssen und keine Schwäche zeigen dürfen, trägt zur Tabuisierung von Essstörungen und anderen psychischen Gesundheitsproblemen bei. Es ist dringend notwendig, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und die Stigmatisierung abzubauen.

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Auswirkungen von Angststörungen und PTBS bei Männern

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und betreffen weltweit Millionen von Menschen. Männer neigen jedoch häufig dazu, ihre Ängste zu verharmlosen oder zu verleugnen, was eine angemessene Diagnose erschwert.

Gesellschaftliche Erwartungen und das Konzept der „toxischen Männlichkeit“ führen häufig dazu, dass Männer glauben, stark und gefasst sein zu müssen, was sie davon abhält, über ihre Ängste zu sprechen oder Hilfe zu suchen.

Symptome wie Nervosität, Schlafstörungen, Herzklopfen oder Atemnot werden oft als Schwäche wahrgenommen, was die Suche nach Unterstützung erschwert. Darüber hinaus können posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), die nach traumatischen Erlebnissen wie Krieg, Gewalt oder Unfällen auftreten, bei Männern oft unerkannt bleiben.

Sie zeigen Symptome wie Flashbacks, Albträume, emotionale Taubheit oder Vermeidungsverhalten, während sie häufig andere Bewältigungsmechanismen wie Wutausbrüche oder Rückzug anwenden. Sensibilisierung und Aufklärung sind daher von großer Bedeutung, um betroffene Männer zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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Besorgniserregende Realität: Selbstmordraten unter Männern

Ein alarmierendes Ergebnis der unzureichenden Behandlung und Erkennung psychischer Erkrankungen bei Männern ist die hohe Suizidrate. Nach Angaben der WHO sterben weltweit mehr Männer als Frauen durch Suizid. Das ist häufig das Ergebnis unbehandelter psychischer Erkrankungen, die im Stillen fortschreiten, da Männer versuchen, ihre Probleme zu verbergen.

Faktoren wie Stigmatisierung, Geschlechterstereotype und unzureichende Unterstützung tragen dazu bei, dass viele Männer in verzweifelten Situationen enden, ohne die dringend benötigte Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist wichtig, diese alarmierende Realität anzuerkennen und zu verstehen, dass die Förderung der psychischen Gesundheit von Männern von größter Bedeutung ist.

Wo findet man Unterstützung?

Hilfe zu suchen, ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der psychischen Gesundheit und sollte von Männern nicht als Schwäche angesehen werden. Ein erster Schritt kann sein, mit jemandem zu sprechen, dem man vertraut, sei es ein:e Freund:in, ein Familienmitglied oder ein:e Kolleg:in.

Oft kann das Teilen der eigenen Gefühle und Gedanken bereits Erleichterung verschaffen. Es ist auch hilfreich, sich über die verschiedenen Ressourcen zu informieren, die zur Verfügung stehen, wie etwa psychologische Beratungsstellen, Therapeuten oder Selbsthilfegruppen.

Viele Organisationen bieten mittlerweile Online-Therapie oder Hotlines an, die anonym und rund um die Uhr erreichbar sind. Hier sind einige hilfreiche Notfallkontakte und Beratungshotlines, die Männer nutzen können, um Unterstützung zu erhalten:

  • Männernotruf: 0800 246 247
    Diese Hotline bietet Unterstützung für von Gewalt betroffene Männer, bei Suizidgedanken und Beziehungsproblemen. Sie ist rund um die Uhr erreichbar.
  • Telefonseelsorge: 142
    Eine wichtige Anlaufstelle, die rund um die Uhr zur Verfügung steht. Hier können Männer anonym und vertraulich über ihre Probleme sprechen.
  • Ö3 Kummernummer: 116 123
    Diese Hotline ist von 16:00 bis 24:00 Uhr erreichbar und bietet Unterstützung in Krisensituationen.
  • Rat auf Draht: 147
    Diese Hotline richtet sich an Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen und ist rund um die Uhr verfügbar. Sie ist auch eine wertvolle Ressource für Männer, die in einer Bezugspersonenrolle sind.

Zudem sollten Männer ermutigt werden, sich aktiv an Programmen zur psychischen Gesundheit zu beteiligen, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Es ist wichtig zu erkennen, dass es keine Schande ist, Hilfe zu benötigen – im Gegenteil, es ist ein mutiger Schritt, sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern und sich Unterstützung zu holen.

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