Prostatakrebs: Neue KI könnte unnötige Entfernungen verhindern

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Operative Entfernung der Prostata

Prostatakrebs ist eine ernste Erkrankung, die viele Männer betrifft. Jährlich erkranken in Österreich etwa 6.000 Männer neu daran, etwa 1.300 sterben an den Folgen. Häufig wird die Prostata operativ entfernt, obwohl die kleine, walnussgroße Drüse eine wichtige Rolle im männlichen Körper spielt, indem sie beispielsweise den Harnfluss reguliert und die Fruchtbarkeit unterstützt. Bisher stützten sich Ärzt:innen bei der Entscheidung über eine Entfernung auf den Gleason-Score, der anhand von Gewebeproben die Aggressivität des Krebses einschätzt. Diese Methode ist jedoch nicht immer zuverlässig und kann zu unnötigen Operationen führen. Ein Forschungsteam der MedUni Wien hat nun ein neues KI-Modell entwickelt, das helfen soll, unnötige Prostataentfernungen zu vermeiden.

Herausforderungen der aktuellen Methode

Das Hauptproblem der derzeitigen Methode zur Beurteilung von Prostatakrebs ist die Zuverlässigkeit des Gleason-Scores. Der Gleason-Score wird aus kleinen Gewebeproben berechnet, die bei einer Biopsie entnommen werden. Bei einer Biopsie werden nur winzige Teile des Prostatagewebes untersucht, um festzustellen, wie aggressiv der Krebs ist. Der Score hilft den Ärzt:innen zu entscheiden, wie ernst der Krebs ist und welche Behandlung notwendig sein könnte. Allerdings können die Ergebnisse dieser kleinen Proben von denen einer vollständigen Untersuchung des entfernten Prostatagewebes abweichen. Das bedeutet, dass der Gleason-Score, der auf den Biopsieproben basiert, nicht immer genau den tatsächlichen Schweregrad des Krebses widerspiegelt. In einigen Fällen kann es dazu führen, dass Patienten operiert werden, obwohl der Krebs nicht so gefährlich oder weit fortgeschritten ist, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Diese unnötigen Operationen können schwerwiegende Nebenwirkungen wie Harninkontinenz oder Erektionsstörungen haben, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können.

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Forschungsergebnisse der MedUni Wien

Die Forscher:innen der MedUni Wien testeten das Modell anhand der Daten von 146 Patienten, die zwischen Mai 2014 und April 2020 an der Prostata operiert worden waren. Die KI konnte die Veränderungen im Prostatagewebe deutlich genauer einschätzen als der Gleason-Score. Das bedeutet, dass das Modell besser einschätzen kann, welche Patienten tatsächlich von einer Operation profitieren würden und welche nicht. Das neue KI-Modell hilft, unnötige Operationen zu vermeiden, indem es genauer vorhersagt, ob eine radikale Prostatektomie – die vollständige Entfernung der Prostata – wirklich notwendig ist. So kann den Patienten gezielter geholfen werden. Diese genauere Einschätzung kann dazu beitragen, das Risiko von Nebenwirkungen wie Harninkontinenz oder Erektionsstörungen zu verringern, indem nur die Patienten operiert werden, bei denen es wirklich notwendig ist.

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Wie funktioniert das neue KI-Modell?

Das neue KI-Modell zur Beurteilung von Prostatakrebs funktioniert auf innovative Weise und unterscheidet sich deutlich von den bisherigen Methoden. Es nutzt künstliche Intelligenz und eine Technik namens Multiomics, um eine umfassendere und genauere Beurteilung des Krebses zu ermöglichen. Der Begriff „Multiomics“ beschreibt eine Methode, bei der verschiedene Arten von Daten kombiniert werden, um ein vollständiges Bild der Krebserkrankung zu erhalten. Im Detail bedeutet das: Statt sich nur auf den Gleason-Score zu verlassen, der auf kleinen Gewebeproben beruht, berücksichtigt das neue Modell eine Vielzahl von Informationen. Dazu gehören genetische Daten, die Aufschluss über die DNA der Krebszellen geben, bildgebende Verfahren wie MRT-Scans, die zeigen, wie sich der Krebs im Gewebe ausbreitet, und Ergebnisse aus pathologischen Untersuchungen, die zusätzliche Details über Art und Verhalten des Krebses liefern. Durch die Kombination all dieser verschiedenen Datenquellen erhält das Modell ein viel umfassenderes Bild des Krebses als herkömmliche Methoden.

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Wie geht es weiter?

Die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend, aber weitere Untersuchungen sind notwendig. Die Forscher:innen planen, das Modell in weiteren Studien zu testen, um sicherzustellen, dass es in der Praxis zuverlässig funktioniert. Ziel ist es, das Modell so weit zu verbessern, dass es bald in der klinischen Praxis eingesetzt werden kann. Dann könnten vielen Männern unnötige Operationen erspart und eine individuellere und präzisere Behandlung ermöglicht werden. die Forschung zeigt, wie moderne Technologien helfen können, medizinische Entscheidungen zu verbessern und die Behandlung von Krankheiten wie Prostatakrebs effektiver und weniger belastend zu gestalten.

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