Disclaimer: Die Informationen in diesem Text dienen ausschließlich allgemeinen Bildungs- und Informationszwecken und ersetzen keinesfalls eine professionelle medizinische oder psychologische Beratung. Psychische Erkrankungen sind komplexe und individuelle Zustände, die einer professionellen Diagnose und Behandlung bedürfen.
75 Prozent vom „Baby Blues“ betroffen
Die Ankunft eines Babys ist ein Wendepunkt im Leben einer Frau, doch nicht immer sind die ersten Tage nach der Geburt von überschwänglicher Freude geprägt. Viele junge Mütter erleben nach der Geburt den so genannten Baby-Blues, eine vorübergehende Phase der Niedergeschlagenheit, Überforderung und Depression.
Laut einem Bericht der Stadt Wien ist der „Baby Blues“ die häufigste und leichteste Form der Wochenbettreaktion und tritt bei rund 75 Prozent der Frauen auf. Sie leiden unter plötzlichen Weinkrämpfen und Angstzuständen.
Diese emotionale Achterbahnfahrt, ausgelöst durch Hormonschwankungen, Schlafmangel und die Anpassung an die neue Lebenssituation, klingt in der Regel innerhalb weniger Tage wieder ab. Bleiben die Symptome jedoch bestehen oder verschlimmern sich, kann es sich um eine Wochenbettdepression handeln, eine ernsthafte psychische Erkrankung, die 10 bis 15 Prozent der Mütter betrifft. Doch wann ist es nur „Baby Blues“ und wann handelt es sich um eine ernsthafte postpartale Depression?
„Baby-Blues“ und postpartale Depression – Wo liegt der Unterschied?
Der „Baby-Blues“ und eine postpartale Depression sind zwei sehr unterschiedliche Dinge, obwohl sie ähnliche Symptome haben können. Der Baby-Blues trifft fast jede Mutter nach der Geburt – es ist eine kurze, aber intensive Phase der Stimmungsschwankungen, in der Frauen plötzlich weinen, sich überfordert oder ängstlich fühlen.
Laut Psychiaterin Dr. Elisabeth Harmankaya „beginnt Babyblues einige Tage nach der Geburt und äußert sich unter anderem durch Erschöpfung, Müdigkeit, Traurigkeit sowie Stimmungsschwankungen. Er hält in der Regel nur wenige Tage an.“
Diese Gefühle kommen meist aufgrund der hormonellen Achterbahnfahrt und der stressigen Anpassung an das Leben mit einem Neugeborenen. Der Baby-Blues klingt normalerweise innerhalb weniger Tage von selbst ab und ist keine psychische Erkrankung.
Im Gegensatz dazu ist die postpartale Depression viel ernster und langanhaltender. Wenn sich die Traurigkeit, Erschöpfung und das Gefühl der Überforderung wochenlang nicht bessern oder sich sogar verschlimmern, könnte es sich um eine Depression handeln.
Dr. Harmankaya erklärt: „Eine postpartale Depression hingegen dauert länger als zwei Wochen, erfüllt die diagnostischen Kriterien einer Depression und erfordert daher eine angemessene Behandlung.“
Frauen mit postpartaler Depression fühlen sich oft tief leer, haben Schwierigkeiten, eine Verbindung zu ihrem Baby aufzubauen, und plagen sich mit Schuldgefühlen und Ängsten. Diese Symptome erfordern professionelle Hilfe, da die Depression nicht von selbst verschwindet und die Fähigkeit der Mutter beeinträchtigen kann, sich um sich selbst und ihr Kind zu kümmern.
Die Verniedlichung von „Baby Blues“
Der Begriff „Baby Blues“ wird oft unterschätzt und in seiner Schwere verharmlost, da viele Menschen den Unterschied zu einer postpartalen Depression nicht kennen. „Der Begriff Baby Blues ist oft verniedlichend, da viele Menschen den Unterschied zwischen diesem und einer postpartalen Depression nicht kennen“, betont die Psychiaterin.
Viele betroffene Frauen fühlen sich durch die Verniedlichung des Babyblues entmutigt, offen über ihre Gefühle zu sprechen, aus Angst, als schwache oder unzulängliche Mutter wahrgenommen zu werden. Dieses Thema ist nach wie vor von Scham und Stigmatisierung geprägt.
Auch die medizinische Versorgung fokussiert sich häufig stärker auf körperliche Beschwerden der Mutter, während der psychische Zustand der Frau nach der Geburt oft unzureichend berücksichtigt wird. „Dieses Thema ist nach wie vor stark schambehaftet und es fehlt an ausreichender Aufklärung“, unterstreicht Dr. Harmankaya.
Was verursacht den „Baby Blues“
Die genaue Ursache für die Niedergeschlagenheit nach der Geburt ist noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt mehrere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen können. Ein großer Auslöser sind die extremen Hormonschwankungen nach der Geburt.
Während der Schwangerschaft sind die Hormonspiegel von Östrogen und Progesteron auf einem Höchststand. Doch innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt stürzen diese Werte regelrecht ab. Dieser plötzliche Absturz kann depressive Symptome hervorrufen, ähnlich wie die Stimmungsschwankungen vor der Periode – aber viel intensiver.
Auch die Schilddrüse kann betroffen sein. Direkt nach der Geburt sinken die Schilddrüsenhormone oft ab, was den Körper in seiner Fähigkeit beeinträchtigen kann, Energie aus der Nahrung zu nutzen. Ein niedriger Spiegel dieser Hormone kann ebenfalls depressive Symptome auslösen, die sich leicht durch einen Bluttest feststellen und mit Medikamenten behandeln lassen. All diese Veränderungen können dazu führen, dass sich eine junge Mutter emotional überfordert fühlt und Unterstützung braucht.
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Woran erkennt man eine postpartale Depression?
Nach der Geburt gibt es viele Veränderungen, die Symptome hervorrufen können, die einer Depression ähneln. Es ist völlig normal, sich am Anfang überwältigt zu fühlen, wenn das Baby zu Hause ist. Wenn jedoch die folgenden Symptome länger als zwei Wochen anhalten, solltest du dich unbedingt an deinen Arzt, deine Ärztin, deine Hebamme oder Pflegekraft wenden:
- Gereiztheit oder Stimmungsschwankungen
- Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit
- Schuldgefühle, Scham oder ein Gefühl von Wertlosigkeit
- Verändertes Essverhalten (mehr oder weniger als gewöhnlich)
- Verändertes Schlafverhalten (mehr oder weniger als gewöhnlich)
- Ungewöhnliches Weinen oder Traurigkeit
- Verlust von Interesse oder Freude an Aktivitäten, die Sie früher genossen haben
- Rückzug von Freunden und Familie
- Gedanken daran, sich selbst oder dem Baby zu schaden
Manche Frauen zögern, über ihre Symptome zu sprechen, weil sie sich schämen oder als schlechte Mütter wahrgenommen werden könnten. Es ist wichtig zu wissen: Jede Frau kann während oder nach der Schwangerschaft depressiv werden – das macht dich nicht zu einer schlechten Mutter. Du musst nicht alleine leiden – es gibt Hilfe.
Sind manche Frauen stärker gefährdet?
Ja, einige Frauen sind aufgrund bestimmter Faktoren stärker gefährdet, eine postpartale Depression zu entwickeln. Dazu gehören Frauen, die bereits vor oder während der Schwangerschaft an einer Depression gelitten haben, da sie möglicherweise anfälliger für eine erneute psychische Belastung sind.
Auch eine familiäre Vorgeschichte von Depressionen kann das Risiko erhöhen. Weitere Risikofaktoren umfassen eine schwierige oder traumatische Geburt, mangelnde Unterstützung durch Familie oder Partner, sowie finanzielle Sorgen oder andere belastende Lebensumstände.
Besonders junge Mütter unter 20 Jahren, Frauen, die in instabilen Beziehungssituationen leben, oder solche, die in der Vergangenheit Missbrauch oder Vernachlässigung erfahren haben, haben ein höheres Risiko.
Zudem können gesundheitliche Probleme wie Schwierigkeiten beim Stillen oder die Geburt eines Frühgeborenen oder eines Babys mit besonderen Bedürfnissen das Risiko weiter verstärken. Frauen, die diese Risikofaktoren in ihrer Vorgeschichte haben, sollten besonders aufmerksam auf ihre emotionalen Bedürfnisse in der Zeit nach der Geburt achten und rechtzeitig Unterstützung suchen.
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Mut ist entscheidend
Es ist wichtig zu betonen, dass sowohl Baby Blues als auch Wochenbettdepressionen häufig auftreten und dass es viele Hilfsangebote gibt. Viele Frauen haben jedoch Angst oder Scham, als „schlechte Mutter“ wahrgenommen zu werden, wenn sie ihre Sorgen und Unsicherheiten teilen.
Aber genau hier liegt der Schlüssel: Offene Gespräche mit deiner Hebamme, deine:r Ärzt:in oder vertrauten Personen aus deinem Umfeld können dir helfen, die Situation besser zu verstehen und Unterstützung zu finden.
Denk daran, dass es keine Schwäche ist, Hilfe zu suchen – im Gegenteil, es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstfürsorge. Besonders hilfreich kann es auch sein, dich mit anderen betroffenen Frauen in Selbsthilfegruppen auszutauschen. So merkst du, dass du mit deinen Gefühlen nicht alleine bist.
Die Rolle des sozialen Umfelds
Das soziale Umfeld spielt eine zentrale Rolle dabei, wie Frauen den Baby Blues oder eine postpartale Depression bewältigen. „Ein unterstützendes Umfeld ist entscheidend: soziale und mentale Unterstützung durch Familie, Freunde und Partner sind wichtig, aber auch die Hilfe von professionellen Stellen. Offene Gespräche und das Ernstnehmen der Gefühle und Sorgen der Betroffenen sind essenziell.„, betont Dr. Harmankaya.
Partner, Familie und Freunde sollten ermutigt werden, aufmerksam zuzuhören und praktische Unterstützung zu leisten, sei es durch Mithilfe im Haushalt, Unterstützung bei der Betreuung des Babys oder einfach durch Zuspruch.
Oftmals benötigen Mütter einfach das Gefühl, nicht allein zu sein und verstanden zu werden. Besonders Partner können durch offene Kommunikation und emotionalen Beistand einen positiven Einfluss auf die Bewältigung der neuen Lebensphase nehmen. Zudem sollte auch das Umfeld für die Möglichkeit sensibilisiert werden, dass sich aus einem Baby Blues eine ernstere Wochenbettdepression entwickeln kann, um frühzeitig Hilfe anzubieten.
Prävention durch Vorbereitung
„Eine postpartale Depression lässt sich nicht immer vermeiden, insbesondere bei einer bestehenden depressiven Neigung oder einer früheren Depression.“, so die Psychiaterin. Dennoch können werdende Eltern bereits während der Schwangerschaft Strategien entwickeln, um den emotionalen Belastungen nach der Geburt vorzubeugen. Dazu gehört, über mögliche psychische Veränderungen im Wochenbett informiert zu sein und im Voraus ein unterstützendes Netzwerk aufzubauen.
Hebammen und Geburtsvorbereitungskurse können hilfreiche Informationen zu den Herausforderungen der ersten Wochen mit einem Neugeborenen liefern. Auch das Einplanen von Erholungspausen und die Festlegung von Aufgabenverteilungen mit dem Partner oder der Familie können dazu beitragen, Stress zu reduzieren.
Letztlich sollten Frauen ermutigt werden, sich selbst nicht unter Druck zu setzen, allen Erwartungen gerecht zu werden, und stattdessen auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten – für ihr Wohl und das ihres Kindes.
Kostenübernahme der Therapie
Laut Gesundheit.gv.at werden alle notwendigen und zweckmäßigen diagnostischen und psychotherapeutischen Maßnahmen von den zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Für bestimmte Leistungen kann jedoch ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag erhoben werden. Nähere Informationen bekommt man bei den jeweiligen Sozialversicherungsträger.