„Nur teures Urin“: Kommen die Nahrungsergänzungsmittel überhaupt in deinen Zellen an?

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Nahrungsergänzungsmittel boomen

Nahrungsergänzungsmittel haben sich in den letzten Jahren zu einem riesigen Markt entwickelt: Besonders beliebt sind Vitamine wie Vitamin D, Vitamin C und B-Vitamine, Mineralstoffe wie Magnesium, Kalzium und Zink sowie Omega-3-Fettsäuren. Zusätzlich greifen viele Menschen zu pflanzlichen Präparaten wie Kurkuma oder Ginseng, sowie auch Proteinpulver und Aminosäuren wie Lysin, Arginin oder BCAAs sind auch bei Hobbysportler weit verbreitet. Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel ist riesig. Laut einem Bericht der Harvard Universität haben Menschen allein in den USA über 35 Milliarden Dollar für diese Produkte ausgegeben. Die Idee, die eigene Gesundheit durch Nahrungsergänzung zu optimieren, ist für die meisten verlockend und die Supplements zudem auch immer häufiger günstig erhältlich. Blickt man heute in die Regale der Drogeriemärkte, bemerkt man einen deutlichen Zuwachs an Vitaminpräparaten. Doch die Frage ist, ob die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln unbedenklich ist und ob all diese Supplemente tatsächlich in den Zellen ankommen, wo sie benötigt werden – oder ob sie oft schlichtweg verschwendet werden und letztendlich nur „teuren Urin“ produzieren.

Einfach nur „Teures Urin“?

Denn: Nicht immer ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln notwendig oder sogar sinnvoll. Wer sich ausgewogen ernährt, kann seinen Bedarf an vielen Vitaminen und Mineralstoffen durch natürliche Lebensmittel ganz gut decken. Besonders dann, wenn keine nachgewiesenen Mängel vorliegen, ist der Nutzen und die wahllose Einnahme von Supplementen oft fragwürdig. Einige Studien legen sogar nahe, dass die Einnahme bestimmter Vitamine, wie Vitamin C, bei ausreichend versorgten Personen keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Wie aus dem Harvard-Bericht hervorgeht, ist zwar die Einnahme großer Mengen Vitamin C unbedenklich, da der Körper nur eine begrenzte Menge aufnehmen kann und das überschüssige Vitamin ausgeschieden wird. Letztlich führt die Einnahme großer Mengen Vitamin C lediglich zu „teurem Urin“, da der Überschuss einfach über den Urin ausgeschieden wird. Zudem gibt es keine Belege dafür, dass eine höhere Dosis als die empfohlenen 90 Milligramm pro Tag für erwachsene Männer einen zusätzlichen Schutz vor Infektionen bietet.

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Wann Nahrungsergänzungsmittel gefährlich werden

Es ist nicht so einfach, das Thema mit der pauschalen Begründung „teurer Urin“ abzutun. Im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen kann eine Überdosierung von fettlöslichen Vitaminen wie A, D und E ernsthafte gesundheitliche Probleme hervorrufen, da diese Vitamine im Körper gespeichert werden und in hohen Dosen toxisch wirken können.

Mögliche Folgen einer Überdosierung von fettlöslichen Vitaminen:
  • Vitamin A:
    • Toxizität: Hohe Dosen können zu einer Vitamin-A-Vergiftung führen, die Symptome wie Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Hautausschläge und sogar Haarausfall verursachen kann.
    • Schädigung der Leber: Eine Überdosierung kann die Leber schädigen, da Vitamin A dort gespeichert wird und in hohen Mengen toxisch wirkt.
    • Knochenprobleme: Chronische Überdosierung kann das Risiko von Knochenbrüchen erhöhen.
  • Vitamin D:
    • Hyperkalzämie: Zu viel Vitamin D kann zu erhöhten Calciumwerten im Blut führen (Hyperkalzämie), was Übelkeit, Erbrechen, Schwäche und Nierensteine zur Folge haben kann.
    • Nierenschäden: Langfristige Überdosierung kann Nierenschäden verursachen und die Nierenfunktion beeinträchtigen.
    • Herzrhythmusstörungen: Hohe Calciumspiegel können auch Herzrhythmusstörungen hervorrufen.
  • Vitamin E:
    • Blutgerinnungsstörungen: Übermäßige Mengen können die Blutgerinnung beeinträchtigen und das Risiko von Blutungen erhöhen, insbesondere bei Menschen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen.
    • Beeinträchtigung der Immunfunktion: Eine sehr hohe Zufuhr kann die Immunreaktion des Körpers negativ beeinflussen.
    • Magen-Darm-Beschwerden: Hohe Dosen können zu Durchfall, Übelkeit und anderen Magen-Darm-Beschwerden führen.

Daher ist es ratsam, sich an die empfohlenen Tagesdosen zu halten und insbesondere bei der mehrfachen Einnahme von Multivitaminpräparaten die enthaltenen Vitaminmengen zu überprüfen. Häufig wird die empfohlene Tagesdosis von 100 % schnell überschritten, was zu einer Überdosierung führen kann, die viele Menschen gar nicht bemerken. Der Gedanke, dass Überdosierungen nur durch die Einnahme mehrerer Pillen hintereinander entstehen, ist ein weit verbreiteter Irrtum und trifft in vielen Fällen nicht zu.

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Hemmende Faktoren: Wann werden Nahrungsergänzungsmittel schwer aufgenommen?

Selbst wenn Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, bedeutet das nicht automatisch, dass sie vom Körper effektiv aufgenommen werden. Verschiedene Faktoren können die Bioverfügbarkeit, also die Aufnahme der Wirkstoffe in den Blutkreislauf und schließlich in die Zellen, erheblich beeinträchtigen. Beispielsweise kann Kalzium die Aufnahme von Eisen hemmen, weshalb diese beiden Mineralien nicht zeitgleich eingenommen werden sollten. Zudem kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln auf nüchternen Magen die Aufnahme erschweren, da einige Vitamine (wie Vitamin D und E) fettlöslich sind und zusammen mit einer fetthaltigen Mahlzeit besser aufgenommen werden. Darüber hinaus können Medikamente die Absorption von Vitaminen und Mineralien beeinflussen – so behindern beispielsweise Magensäureblocker die Aufnahme von Vitamin B12.

Ein weiterer Hemmfaktor ist die Art der Nahrung, die gleichzeitig konsumiert wird; beispielsweise können bestimmte Nahrungsmittel wie Ballaststoffe, Phytate oder Oxalate die Absorption von Mineralstoffen wie Eisen, Zink und Kalzium verringern. Auch die Zusammensetzung des Darms spielt eine Rolle, da eine gestörte Mikrobiota die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen kann. Alter, Geschlecht und individuelle gesundheitliche Bedingungen wie Verdauungsstörungen oder chronische Krankheiten beeinflussen ebenfalls, wie gut der Körper die enthaltenen Nährstoffe aufnehmen kann. Zudem kann die Kombination von bestimmten Nahrungsergänzungen wie Eisen und Magnesium kann problematisch sein, da beide Mineralstoffe um die gleichen Transporter im Darm konkurrieren. Eine bewusste Ernährung, die auf die Optimierung der Nährstoffaufnahme abzielt, ist daher entscheidend für die Wirksamkeit von Supplementen. Wer Medikamente einnimmt, sollte immer Rücksprache mit dem Arzt halten, bevor er zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, um gefährliche Wechselwirkungen zu vermeiden.

Wie nimmt man Nahrungsergänzungsmittel am besten ein?

Damit Nahrungsergänzungsmittel ihre volle Wirkung entfalten können, ist es wichtig, sie richtig einzunehmen. Ein erster Schritt ist es, die Nahrungsergänzungen gezielt auszuwählen – basierend auf einem nachgewiesenen Mangel oder spezifischen gesundheitlichen Bedürfnissen. Hier kann eine Blutanalyse helfen, um festzustellen, welche Nährstoffe wirklich fehlen. Fettlösliche Vitamine sollten immer zusammen mit einer Mahlzeit, die Fett enthält, eingenommen werden, um ihre Absorption zu maximieren. Zudem sollte auf den Zeitpunkt der Einnahme geachtet werden: Einige Vitamine wie B12 wirken morgens am besten, während Magnesium vor dem Schlafengehen entspannend wirkt. Wasserlösliche Vitamine, wie Vitamin C, können über den Tag verteilt werden, da sie nicht gespeichert werden und schnell wieder ausgeschieden werden.

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Fazit: Qualität und Bedarf bestimmen den Erfolg

Nahrungsergänzungsmittel können eine wertvolle Ergänzung zu einer gesunden Ernährung sein, wenn sie gezielt eingesetzt werden. Dabei ist es entscheidend, auf die Qualität der Produkte zu achten und die Einnahme individuell an die eigenen Bedürfnisse und Lebensumstände anzupassen. Idealerweise sollte die Nährstoffaufnahme überwiegend über eine ausgewogene Ernährung erfolgen, da viele Vitamine und Mineralstoffe in ausreichenden Mengen aus frischen, natürlichen Lebensmitteln gewonnen werden können, sodass zusätzliche Supplemente oft überflüssig sind. Eine bewusste Ernährung hat sich häufig als wirksamer erwiesen, um die Gesundheit langfristig zu fördern, als die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. Zudem kann eine Beratung durch einen Arzt oder eine Ernährungsberaterin hilfreich sein, um Wechselwirkungen mit Medikamenten oder anderen Nahrungsergänzungen zu vermeiden. Letztlich ist es entscheidend, dass die Supplemente auch tatsächlich im Körper ankommen – nur dann sind sie ihr Geld wirklich wert.

 

 

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Ein Beitrag geteilt von Eddie Abbew (@eddie_abbew)

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