Neue Studie: Wie gesund fühlt sich Österreich?

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Ein Gesundheitssystem am Limit?

Es gibt Momente, da fühlt man sich wie in einem Hamsterrad aus Stress, Sorgen um die eigene Gesundheit und endlosem Warten auf den nächsten Arzttermin. Und wenn man dann endlich einen Termin ergattert hat, muss man wieder wochenlang auf den Besuch in der Praxis warten. In der Zwischenzeit wächst der Frust. Und wenn du dann endlich im Wartezimmer sitzt, fragst du dich, ob das Gesundheitssystem wirklich noch auf deiner Seite ist. Doch das ist nur ein Teil des Ganzen. Es gibt Trends und Entwicklungen, die tiefere Einblicke gewähren. Dinge, die du vielleicht schon erlebt, aber noch nie so schwarz auf weiß gesehen hast. Doch wie steht es wirklich um die Gesundheit der Österreicher:innen? Was steckt hinter den Schlagzeilen über unzufriedene Patient:innen und steigende Gesundheitskosten? Eine repräsentative Umfrage der Wiener Städtischen Versicherung liefert nun Antworten auf diese Fragen.

Wie gesund fühlen sich Österreicher:innen?

Die Österreicher:innen fühlen sich größtenteils gesund – zumindest sagen das die meisten. Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass 56 % der Befragten mit ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit im Reinen sind. Aber auch hier gibt es noch Luft nach oben, denn nur 17 % bezeichnen sich als „sehr gesund“, der Rest bewegt sich eher auf einem „okay“-Niveau. Besonders spannend: Fast jede:r Zweite nimmt regelmäßig verschreibungspflichtige Medikamente ein. Wer hätte das gedacht? Ein weiterer interessanter Trend: Jüngere Menschen verzichten gerne auf Fleisch und ernähren sich vegetarisch. Mit dem Hype um einen gesunden Lebensstil – der seit der Pandemie enorm zugenommen hat – achten immer mehr Menschen auf ihre Ernährung und treiben auch mehr Sport. „Man achtet mehr auf seine Gesundheit, macht mehr Yoga, Pilates“, fasst Sonja Brandmayer, Generaldirektor-Stellvertreterin der Wiener Städtischen, zusammen.

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Schlaf und Erholung

Schlafen ist nicht nur gut für das Wohlbefinden, sondern auch für die Gesundheit. Doch viele Österreicher:innen schlafen einfach zu wenig. Die Studie zeigt, dass 61 % der Menschen zwischen fünf und sieben Stunden pro Nacht schlafen – definitiv zu wenig, um richtig auszuschlafen. Nur ein Drittel gönnt sich die empfohlenen sieben bis neun Stunden Schlaf. Denn: Wer länger schläft, fühlt sich tatsächlich fitter und erholter. Das belegen nicht nur die Beteuerungen der Langschläfer, sondern auch Studien aus aller Welt. Doch der Erholungsfaktor bleibt ein Problem. Nur jeder Zehnte wacht wirklich erfrischt auf, der Rest kämpft mit mäßiger oder schlechter Erholung. Der Verdacht liegt nahe: Schlafmangel und Sorgen machen die Österreicher:innen müde. Wenn Stress und Alltagssorgen einen nachts wachhalten, schläft man einfach schlecht. Und so schleppt sich so mancher nach fünf Stunden Schlaf zur Arbeit und denkt: „Das kann doch nicht wahr sein!“

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Stress und Sorgen

Es ist nicht nur der Schlafmangel, der viele Österreicher:innen belastet. Auch Stress und Sorgen sind ein großes Thema. Fast jeder macht sich regelmäßig Sorgen – 81 % der Bevölkerung, um genau zu sein. Besonders Frauen neigen dazu, sich häufiger den Kopf zu zerbrechen. Gesundheit, Finanzen und die Zukunft sind die Themen, die den meisten den Schlaf rauben. Die Pandemie hat das zusätzlich verstärkt, vor allem bei den jüngeren Menschen. Für viele ist der Stresspegel im letzten Jahr sogar gestiegen. Ein Viertel der Österreicher:innen fühlt sich gestresster als vor einem Jahr, und das zeigt sich auch in der mentalen Gesundheit. „Man versucht mehr auf seine mentale Gesundheit zu achten“, sagt Brandmayer. Und das ist auch gut so, denn Stress wirkt sich auf alles aus: Schlaf, Ernährung, Stimmung – eine ganze Kettenreaktion kommt in Gang. Aber warum Stress? Klar, Gesundheit und Finanzen spielen immer eine Rolle. Aber das wachsende Bedürfnis nach Vorsorge zeigt, dass immer mehr Menschen ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen wollen.

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Skepsis gegenüber der Impfung

Seit der Pandemie hat sich auch das Thema Impfen stark verändert. Während 60 % der Österreicherinnen und Österreicher Impfungen positiv gegenüberstehen, gibt es auch viele, die skeptisch geworden sind. Vor allem in ländlichen Gebieten und bei weniger gebildeten Menschen herrscht Misstrauen gegenüber dem Impfen. Die Pandemie hat diese Haltung zusätzlich verstärkt. Fast ein Viertel der Befragten gibt an, heute negativer gegenüber Impfungen eingestellt zu sein als vor der Krise. Noch beunruhigender: Jede:r Zehnte hält Impfungen für „gar nicht sicher“. „Bei den Impfskeptikern gibt es eine Vielzahl von Argumenten gegen das Impfen“, erklärt Gabriele Reithner, Senior Studienleiterin beim Gallup Institut. „Da spielt auch ein bisschen Wissenschaftsskepsis mit. Außerdem ist medial einiges nicht so ideal gelaufen. Zu Beginn der Pandemie gab es zu wenig Informationen, das hat die Menschen verunsichert und dazu geführt, dass viele impfkritische Theorien entstanden sind.“ Interessant ist auch, dass Menschen in Städten eine positivere Einstellung zum Impfen haben. Dort ist das Vertrauen in die Wissenschaft und die medizinische Versorgung größer. Auch der Bildungsgrad spielt eine Rolle: Je höher die Bildung, desto mehr Vertrauen in Impfungen. Trotzdem würde sich nur die Hälfte der Österreicher:innen im Fall einer neuen Pandemie impfen lassen, während 30 % die Impfung kategorisch ablehnen.

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Unzufriedenheit mit dem öffentlichen Gesundheitssystem

Es gibt zu wenig Kassenärzt:innen und man muss ewig auf einen Termin warten – dadurch zieht sich Frust durch die Bevölkerung. Fast die Hälfte der Österreicher:innen ist mit dem öffentlichen Gesundheitssystem unzufrieden. Besonders düster sieht es bei den Fachärzt:innen aus: Nur 7 % der Menschen bekommen zeitnah einen Termin. Viele warten mehrere Wochen oder sogar Monate. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen das öffentliche System meiden und nach Alternativen suchen. Für viele ist der Gang zum Privatarzt die bessere Wahl, auch wenn dieser mehr kostet. Lange Wartezeiten und überfüllte Ordinationen gehören damit der Vergangenheit an. Rund ein drittel der Österreicherinnen und Österreicher ohne private Krankenversicherung geben an, dass sie sich heute mehr für private Vorsorge interessieren als noch vor einem Jahr. Besonders gefragt sind Sonderklasse- und Privatarztversicherungen. Der Grund dafür? Weniger Wartezeiten, bessere Betreuung und schnellere Diagnose. „Was mich besonders überrascht, ist, dass gerade die jüngeren Altersgruppen, vor allem die Generation der unter 40-Jährigen, einen Trend zur privaten Gesundheitsvorsorge setzen“, so Brandmayer. Tatsächlich geben 45 % der 16- bis 35-Jährigen an, dass ihr Interesse an privater Gesundheitsvorsorge gestiegen ist. Und je jünger man eine solche Versicherung abschließt, desto günstiger sind die Prämien – ein klarer Vorteil für junge Menschen.

Für viele Patient:innen ist der Umstieg auf private Gesundheitsvorsorge ein Weg aus dem Frust, den sie im öffentlichen System empfinden. Und die Abwanderung in die private Krankenversicherung ist nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit geworden. Fast 71 % der Menschen sind der Meinung, dass es zu wenig Fachärzt:innen mit Kassenvertrag gibt, und auch bei den Allgemeinmedizinern sehen 58 % Engpässe. Wenn das öffentliche System nicht nachbessert, könnte sich dieser Trend noch verstärken.

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