Mediale Beeinflussung
Das Alter ist in unserer Gesellschaft ein sensibles Thema: Ältere Menschen werden zwar respektiert, das Älterwerden wird jedoch gefürchtet. Die Werbung vermittelt uns seit Jahrzehnten, dass Falten etwas Schlimmes sind, und in verschiedenen Medien wird uns suggeriert, dass wir spätestens ab Mitte 40 weniger Möglichkeiten und Spaß haben. Das Thema rund ums Älterwerden beschäftigt nicht nur uns, sondern auch die Wissenschaft: Ab wann fühlt man sich eigentlich wirklich „alt“? Diese Frage ist schließlich subjektiv und lässt sich nur individuell beantworten. Jedoch haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus deutschen, luxemburgischen und US-amerikanischen Universitäten versucht, genau das herauszufinden. In einer kürzlich durchgeführten Studie, die in der Fachzeitschrift Psychology and Aging veröffentlicht wurde, wurde hinterfragt, welcher Faktor für das Gefühl, sich „alt“ zu fühlen, entscheidend ist.
Internationale Langzeitstudie
Die internationale Langzeitstudie, die sich über einen Zeitraum von 25 Jahren erstreckte und 14.000 Personen ab 40 Jahren befragte, kam zu überraschenden Ergebnissen. Heutige Erwachsene empfinden das Gefühl des Altwerdens im Vergleich zu früheren Generationen erst später. Die zentrale Frage der Studie lautete: „In welchem Alter würden Sie jemanden als alt bezeichnen?“ Die Antworten zeigten einen klare Entwicklung: Das Alter wird heutzutage später angesetzt als noch vor einigen Jahrzehnten. Zum Beispiel gaben die 65-Jährigen aus dem Jahrgang 1956 im Durchschnitt an, dass das Alter mit 74 Jahren beginnt, während die 65-Jährigen aus dem Jahrgang 1911 angaben, dass das Alter mit 71 Jahren einsetzt.
Mögliche Gründe
Der Studienautor führt das Aufschieben des Gefühls des Altwerdens auf die gestiegene Lebenserwartung zurück. In den letzten Jahrzehnten hat sich diese erheblich erhöht, was gleichzeitig bedeutet, dass Menschen sich länger fit und gesund fühlen. Während Männer zu Beginn der Studie im Durchschnitt nur etwa 75 bis 78 Jahre alt wurden und Frauen rund 76 bis 81 Jahre alt, stieg die Lebenserwartung in den Jahren 2019 bis 2021 auf etwa 82 Jahre bei Männern und rund 86 Jahre bei Frauen an. Ein weiterer möglicher Grund dafür könnte das steigende Pensionsalter sein, das nun typischerweise mit dem Altsein in Verbindung gebracht wird. In Österreich liegt das Pensionsantrittsalter für Frauen bei 60 und für Männer bei 65 Jahren. Dieses Jahr wurde aber eine Änderung des Frauen-Ruhestandsalters vorgenommen. Nun wird es jährlich um sechs Monate angehoben, bis im Jahr 2033 die Frauen auch erst mit 65 in die Pensionsruhe gehen können.
Frauen anders als Männer
Interessanterweise ergab die Studie auch, dass Frauen im Durchschnitt das Altsein später empfinden als Männer. Im Durchschnitt setzten die männlichen Probanden der Studie das Altwerden etwa zweieinhalb Jahre früher an als die befragten Frauen. Eine mögliche Erklärung dafür könnte die längere Lebenserwartung im Gegensatz zu Männern sein. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass Frauen im Alter häufiger stigmatisiert werden als die männlichen Artgenossen. Das negative Bild des Alterns könnte ebenfalls dazu führen, dass die Frauen das Einsetzen des Alters als höher empfinden, um sich von diesem Stigma abzugrenzen, so der Studienautor Wettstein gegenüber der Zeit.
Mentale und physische Gesundheit spielen eine Rolle
Das Gefühl, alt zu werden, beginnt zwar oft mit dem Eintritt der Pension, aber auch mit dem Erreichen der Großelternschaft. Aber all das verschiebt sich nach hinten: Allein der Zeitpunkt der ersten Geburt von Frauen steigt von Jahr zu Jahr. So wurden Frauen 1988 im Durchschnitt mit 26,6 Jahren schwanger, heute gebären laut Statistik Austria Frauen im Alter von 31,5 Jahren. Auch die mentale und physische Gesundheit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Menschen, die gesundheitliche Probleme haben, empfinden das Altwerden oft als früher einsetzend sowie ist dabei auch Einsamkeit ein wichtiger Faktor. Ältere Menschen, die ihren Partner oder ihre Partnerin verloren haben oder die allein leben und sich daher oft einsam fühlen, empfinden auch schneller das Gefühl, alt zu sein.