Fitness: Eine genetische Frage?
In einer Welt, in der Fitness und Gesundheit ständig im Fokus stehen, kommt eine entscheidende Frage auf: Wie sehr beeinflussen unsere Gene eigentlich unsere körperliche Fitness? Einige Menschen scheinen mit nur einem kurzen Workout bereits Fortschritte zu machen – sie trainieren einmal und die Muskeln wachsen rasant. Andere dagegen fühlen sich wie die klassischen „Lauchs“, die trotz harter Arbeit nicht wirklich vorankommen. Doch was steckt tatsächlich hinter dieser Gen-Debatte, und inwieweit beeinflusst unsere DNA unsere Perspektive auf Fitness und letztlich auch auf unsere Gesundheit?
„Schnelligkeitsgen“ als wichtiger Faktor
Wissenschaftler:innen haben in den letzten 20 Jahren zunehmend untersucht, wie genetische Faktoren unsere sportliche Leistungsfähigkeit bestimmen. Das Ergebnis: Genetische Variationen beeinflussen verschiedene Aspekte unserer Fitness, darunter Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Insbesondere das sogenannte ACTN3-Gen, auch als „Schnelligkeitsgen“ bekannt, spielt eine bedeutende Rolle bei der Regulierung eines bestimmten Proteins, das in schnell kontrahierenden Muskelfasern produziert wird. Träger bestimmter Varianten des ACTN3-Gens zeigen oft eine überdurchschnittliche Leistung in explosiven Sportarten. Diese schnell kontrahierenden Muskelfasern konnten deshalb zuhauf bei Athlet:innen in kraftbasierten Sportarten wie Sprinten und Gewichtheben nachgewiesen werden.
Ein Team der Universität Essex analysierte für eine umfangreiche Studie die Gene von 45 Männern und Frauen im Alter von 20 bis 40 Jahren, um herauszufinden, wie sehr die athletischen Fähigkeiten von der Genzusammensetzung abhängen. Über acht Wochen joggten die Teilnehmer:innen dreimal pro Woche für 30 Minuten, um die Verbesserung ihrer Herzfitness zu messen. Der Studienleiter erwartete eine Verbesserung von 10 %.
Überraschenderweise zeigten die Ergebnisse eine hohe Standardabweichung: Einige Teilnehmer verbesserten sich um 20 %, andere nur um 5 %, während manche keine Verbesserung zeigten. Teilnehmer:innen mit der entscheidenden genetischen Ausstattung, die 19 Schlüsselgenvarianten aufwiesen, verbesserten sich im Durchschnitt um 11,5 %. Die Analyse ergab eine positive Korrelation zwischen dem Vorhandensein dieser Fitnessgene und der Fähigkeit, die Herzfitness zu steigern. Teilnehmer:innen mit einer 20%igen Verbesserung wiesen alle 19 identifizierten Gene auf, während diejenigen mit geringerer Verbesserung nur ein bis zwei dieser Gene hatten.
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Die Rolle von genetischen Tests
Die Verbreitung von genetischen Tests hat es Spitzensportler:innen ermöglicht, ihre genetischen Stärken und Schwächen besser zu verstehen. Einige nutzen diese Informationen, um individuelle Trainings- und Ernährungsstrategien zu entwickeln, die auf ihren spezifischen genetischen Profilen basieren. Doch hier stellt sich die Frage: Wie sinnvoll sind solche Tests wirklich? Während sie wertvolle Einblicke bieten können, ist es wichtig, die Ergebnisse im Kontext von Lebensstil und persönlichem Einsatz zu betrachten. Ein genetischer Vorteil ist nur dann hilfreich, wenn er mit harter Arbeit kombiniert wird. Expert;innen empfehlen, das Training entsprechend der individuellen genetischen Veranlagung anzupassen, um das Beste aus seinen Möglichkeiten herauszuholen.
Fitness von Sportler:innen: Chancengleichheit im Ungleichgewicht?
Die Diskussion über Genetik und Fitness hat auch gesellschaftliche Implikationen. Sie wirft Fragen zur Chancengleichheit im Sport auf und beleuchtet die potenziellen Risiken der Überbetonung genetischer Faktoren. Kritiker:innen warnen davor, dass ein zu starker Fokus auf Gene den Wert von Disziplin, Durchhaltevermögen und persönlicher Anstrengung in den Hintergrund drängt. Ein Beispiel für ein positives Gen, das in der Forschung identifiziert wurde, ist das sogenannte „Kriegergen“, das mit hoher Risikobereitschaft und Aggression assoziiert ist. Es kann helfen, den eigenen Überlebensinstinkt zu aktivieren und den Gedanken „Ich muss laufen“ zu wecken. Es ist wichtig, die Balance zu finden: Gene mögen einen Ausgangspunkt bieten, aber echte Erfolge erfordern auch harte Arbeit und Disziplin.
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Umweltfaktoren und persönlicher Einsatz
Trotz genetischer Einflüsse ist der Lebensstil entscheidend für unsere Fitness: Ausreichende und abwechslungsreiche Ernährung, konsequentes Training und mentale Einstellung spielen eine ebenso wichtige Rolle. Forschungsergebnisse zeigen, dass selbst Personen mit ungünstigen genetischen Anlagen durch gezieltes Training und gesunde Ernährung signifikante Fortschritte erzielen können. Letztendlich ist Fitness ein dynamisches Zusammenspiel aus genetischem Potenzial und dem, was wir aus diesem Potenzial machen. Motivation und Engagement sind oft der Schlüssel zum Erfolg – egal, welche Gene wir haben.
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Fazit: Ganzheitlichen Ansatz verfolgen
Zusammengefasst hängt unsere Fitness von einer Vielzahl von Faktoren ab – genetischen und umweltbedingten. Gene können unser Potenzial definieren, aber ohne die richtige Ernährung, das passende Training und eine positive Einstellung bleibt dieses Potenzial ungenutzt. Die Studie der Universität von Essex hat gezeigt, dass nur 31 % der Teilnehmer die richtige Genkombination trugen, um den größten Nutzen aus dem Training zu ziehen. Was ist, wenn man nicht Teil dieser 31 % ist? Kann man die eigene genetische Veranlagung überwinden und trotzdem schnell laufen? Expert:innen empfehlen, Bergsprints, Intervalltraining oder intensives Krafttraining in den Trainingsplan zu integrieren, um die Fitness maximal zu steigern. Der Schlüssel liegt darin, das Training an die eigenen Möglichkeiten anzupassen und regelmäßig neue Reize zu setzen.
Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl unsere genetischen Voraussetzungen als auch unsere persönlichen Anstrengungen berücksichtigt, ist wichtig für langfristige Fitness. Die Forschung in diesem Bereich entwickelt sich ständig weiter und hilft uns, bessere Strategien für unsere sportlichen und gesundheitlichen Ziele zu finden. Letztlich liegt es an uns, das Beste aus unseren genetischen Möglichkeiten herauszuholen – und das schaffen wir, indem wir bereit sind, neue Herausforderungen anzunehmen und eine echte Begeisterung für unsere Fitness und Gesundheit entwickeln. Und ganz wichtig: Der Spaß darf dabei nicht auf der Strecke bleiben.