Lungenkrebs: Eine besondere Herausforderung
Jährlich erkranken in Österreich mehr als 5.000 Menschen an Lungenkrebs – ein Schicksalsschlag, der oft erst in einem späten, schwer behandelbaren Stadium erkannt wird. Diese besonders aggressive und oft tödlich verlaufende Krebsart stellt die Medizin bis heute vor große Herausforderungen, da konventionelle Behandlungsmethoden wie die Chemotherapie gesunde und bösartige Zellen gleichermaßen angreifen. Die Folge sind belastende Nebenwirkungen, die viele Betroffene in ihrem Alltag stark einschränken.
Doch nun gibt es Anlass zur Hoffnung: Ein Forschungsteam am Karl Landsteiner Institut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie (KLI LFPO) in Wien entwickelt innovative Therapien, die gezielter und zugleich schonender wirken. Mit personalisierten Ansätzen, die die spezifischen Eigenschaften der Tumorzellen berücksichtigen, haben sie einen entscheidenden Fortschritt im Kampf gegen Lungenkrebs erzielt – und damit neue Hoffnung für die Betroffenen.
Früherkennung – ein vernachlässigtes Thema
In Österreich ist die frühzeitige Erkennung von Krebserkrankungen ein vernachlässigtes Thema, obwohl die jährlichen Krebsdiagnosen von ca. 40.000 Personen eine große gesundheitliche Herausforderung darstellen. Besonders kritisch ist die fehlende Früherkennung bei Lungenkrebs, obwohl internationale Studien eindeutig zeigen, dass eine jährliche Vorsorgeuntersuchung bei langjährigen Rauchern die Lungenkrebssterblichkeit um bis zu 45% senken könnte. Doch während andere Länder wie die USA und Deutschland solche Programme längst eingeführt haben, fehlt in Österreich nicht nur ein flächendeckendes Angebot, sondern auch ein Pilotversuch. Das führt dazu, dass Lungenkrebs in 47 % der Fälle erst im unheilbaren Stadium diagnostiziert wird.
Nicht nur der gesundheitliche Nutzen der Vorsorge wäre enorm: Früh erkannter Krebs würde langfristig auch Kosten sparen, da eine Behandlung im Frühstadium wesentlich günstiger ist als in fortgeschrittenen Stadien. Um die hohe Zahl an Krebserkrankungen und -todesfällen in Österreich zu senken, ist es notwendig, die Akzeptanz und Inanspruchnahme von Früherkennungsprogrammen durch gezielte Aufklärung zu erhöhen und dringend neue Programme, vor allem für Lungenkrebs, einzuführen.
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Eine zielgerichtete Therapie gegen Krebszellen
Am Karl Landsteiner Institut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie (KLI LFPO) in Wien arbeiten Forscher:innen daran, Behandlungen zu entwickeln, die gezielter wirken und weniger Nebenwirkungen haben. Das bedeutet, dass die Therapien so angepasst werden, dass sie möglichst nur die Krebszellen angreifen und gesunde Zellen verschonen.
Ein wichtiger Fortschritt ist die Entwicklung so genannter „Antibody Drug Conjugates“ (ADCs). ADCs sind eine neue Klasse von Medikamenten, die gezielt gegen Krebszellen wirken. Sie funktionieren wie ein zielgerichteter Angriff“: Ein Antikörper erkennt bestimmte Merkmale auf der Oberfläche der Krebszellen und bindet daran. Der Antikörper ist mit einem Wirkstoff verbunden, der dann genau dort freigesetzt wird, wo er gebraucht wird – nämlich direkt an den Krebszellen. Auf diese Weise werden die Krebszellen zerstört, während die gesunden Zellen weitgehend verschont bleiben.
Das ist ein großer Vorteil gegenüber der klassischen Chemotherapie, bei der die Medikamente im ganzen Körper verteilt werden und nicht zwischen gesunden und kranken Zellen unterscheiden. Durch diese gezielte Therapie wird nicht nur die Wirksamkeit der Behandlung erhöht, sondern auch die Lebensqualität der Patient:innen deutlich verbessert, da sie weniger unter den belastenden Nebenwirkungen leiden.
Das Immunsystem als Helfer gegen Krebs
Ein weiterer Durchbruch in der Behandlung von Lungenkrebs ist die Immuntherapie. Dabei wird das körpereigene Immunsystem eingesetzt, um die Krebszellen zu bekämpfen. Normalerweise erkennt das Immunsystem Fremdkörper wie Viren oder Bakterien und greift sie an, doch Krebszellen tarnen sich oft so gut, dass das Immunsystem sie nicht als Bedrohung erkennt. Die Immuntherapie „trainiert“ das Immunsystem sozusagen, damit es die Krebszellen als gefährlich erkennt und angreift.
Das Karl Landsteiner Institut hat in den letzten Jahren Studien durchgeführt, die zeigen, wie wirksam die Immuntherapie sein kann: In einigen Fällen konnten Betroffene ihre Überlebenszeit durch diese Behandlungsmethode verdoppeln. Eine besonders beeindruckende Zahl ist die so genannte Drei-Jahres-Überlebensrate: Während vor einigen Jahren nur 26 % der Lungenkrebspatient:innen drei Jahre nach der Diagnose überlebten, sind es heute bereits 34,5 %.
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Erste Erfolge der Immuntherapien
Ein wichtiges Forschungsprojekt, das vom KLI LFPO geleitet wird, ist das „Lungenkrebsregister LALUCA“. Dieses Register sammelt Daten von Lungenkrebspatient:innen aus mehreren Kliniken in Wien und anderen Regionen. Anhand dieser Daten können die Forscher:innen genau untersuchen, welche Behandlungen am effektivsten sind und welche Faktoren den Therapieerfolg beeinflussen. Diese „Real-World-Daten“ – also Daten aus dem wirklichen Leben und nicht nur aus Laborstudien – sind besonders wertvoll, weil sie zeigen, wie Behandlungen in der Praxis wirken.
Eine Analyse des LALUCA-Registers ergab, dass 96 % der Patient:innen mit Lungenkrebs im Frühstadium, die vor einer Operation oder Bestrahlung eine Immuntherapie erhielten, die Behandlung erfolgreich abschließen konnten. „Nach zwei Jahren Beobachtungszeitraum waren 80 Prozent der Patient:innen
weiterhin krebsfrei. Ältere Vergleichsdaten zur Behandlung ohne Immuntherapie zeigen dagegen nur 20 bis 50 Prozent Heilungschancen im genannten Zeitraum“, berichtet Dr.in Leyla Ay, Oberärztin an der pneumo-onkologischen Tagesklinik der Klinik Floridsdorf und Erstautorin der Studie.
Ist individuelle Therapie möglich?
Damit Therapien möglichst genau auf die Krebszellen wirken, ist eine molekulare Untersuchung des Tumors wichtig. Die Forscher:innen des KLI LFPO nehmen eine Gewebeprobe (Biopsie) der Tumorzellen und analysieren diese genau. Dabei suchen sie nach bestimmten Eigenschaften und Merkmalen der Krebszellen, die eine gezielte Therapie ermöglichen.
„Durch molekulare Analysen erfassen und beurteilen wir jeden Tumor individuell anhand spezifischer Merkmale. Diese sind für die Kliniker
essenziell, um den Patient:innen dann auch die maßgeschneiderten Therapien zur Verfügung stellen zu können, die den Tumor besser bekämpfen“, erklärt Dr.in Dagmar Krenbek, die Leiterin des Instituts für Pathologie an der Klinik Floridsdorf. Diese detaillierten Analysen erlauben es den Ärzt:innen, die Therapie ganz individuell auf den Tumor der jeweiligen Patient:innen abzustimmen. Das Ergebnis ist eine personalisierte Therapie, die deutlich wirksamer ist als Standardbehandlungen.
„Diese Analysen sind maßgeblich für den Therapieerfolg. Was die Dauer zwischen Biopsie und Befundung betrifft, liegen wir in Österreich glücklicherweise im Spitzenfeld! Das ermöglicht uns entsprechend dem Ergebnis der Testung rasch die bestmögliche Therapie für die jeweiligen Patient:innen einzuleiten“, ergänzt Prim. Dr. Arschang Valipour, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie und Leiter des Karl Landsteiner Instituts am Klinikum Floridsdorf.
Tabletten und Injektionen statt langer Klinikaufenthalte
Eine weitere Verbesserung der Lebensqualität für die Betroffenen besteht darin, dass viele neue Medikamente in Tablettenform oder als einfache Injektion verabreicht werden können. Während eine Chemotherapie oft über Stunden als Infusion verabreicht werden muss, können moderne zielgerichtete Medikamente oft in den vertrauten vier Wänden zu Hause eingenommen werden.
„Neben Tabletten können wir manchen Patient:innen inzwischen auch Präparate zur Verfügung stellen, die durch eine einfache Injektion unter die Haut – ähnlich dem Stich bei einer Impfung – verabreicht werden“, erklärt die Oberärztin Leyla Ay. „Das nimmt im Gegensatz zu mehrstündigen Infusionen nur wenige Minuten an der Klinik in Anspruch, was für die Patient:innen natürlich viel angenehmer ist, aber auch unser Personal entlastet.“ Die neuen Darreichungsformen helfen also nicht nur den Patient:innen, sondern verbessern auch die Abläufe in den Kliniken und entlasten die Ärzt:innen und die Pflegekräfte. Diese Erfolge zeigen, dass die Forschung in Wien auf dem richtigen Weg ist und eine erfolgreiche Behandlung von Lungenkrebs nicht mehr nur ein Traum bleiben muss.
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