Männer streben nach einem „perfekten“ Look
Schönheit und körperliche Perfektion sind seit jeher Themen, die die Menschen beschäftigen. Immer wieder tauchen neue Beauty-, Ernährungs- und Fitness-Trends auf, die versprechen, wie ein Model auszusehen und das eigene Erscheinungsbild zu perfektionieren.
Auch junge Männer, die sich in einer wichtigen Phase der Selbstfindung und Identitätsbildung befinden, sind von unrealistischen Schönheitsidealen nicht verschont. Der Wunsch nach scharfen Wangenknochen, makelloser Haut und einem muskulösen Körper treibt viele an, immer mehr zu tun, um den „perfekten“ Look zu erreichen.
In den letzten Jahren hat sich auf sozialen Medien ein Trend etabliert, der vor allem bei jungen Männern immer beliebter wird: Looksmaxxing. Dieser Begriff beschreibt das Streben, das eigene äußere Erscheinungsbild bis zum maximalen Level zu optimieren. Doch was verbirgt sich hinter Looksmaxxing und welche Auswirkungen hat dieser Trend auf die psychische Gesundheit junger Menschen?
Was ist Looksmaxxing?
Looksmaxxing ist mehr als nur ein Buzzword auf Social Media – es ist ein Lebensstil, der das äußere Erscheinungsbild in den Mittelpunkt rückt. Der Begriff setzt sich aus den Worten „Looks“ (Aussehen) und „maxxing“ (maximieren) zusammen und beschreibt eine Bewegung, die sich darauf konzentriert, das Beste aus dem eigenen Aussehen herauszuholen.
Klingt zunächst harmlos, oder sogar motivierend? Das Problem beginnt, wenn aus Selbstverbesserung ein zwanghaftes Streben nach Perfektion wird. Der Trend ist besonders bei jungen Männern populär, die sich gesellschaftlichen und sozialen Druck ausgesetzt fühlen.
In einer Welt, die stark von sozialen Medien geprägt ist, vergleichen sich viele mit unerreichbaren Idealen. Looksmaxxing wird hier als Lösung präsentiert – ein Weg, das eigene „Marktwertgefühl“ zu steigern, sei es im Beruf, in Freundschaften oder in romantischen Beziehungen. Doch diese „Lösung“ birgt oft Gefahren.
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Softmaxxing: Die sanfte Reise zur Selbstverbesserung
Die Methoden des Looksmaxxing reichen von alltäglicher Pflege und Fitness bis hin zu extremen Eingriffen. Dabei wird zwischen zwei Hauptformen unterschieden: Softmaxxing, das auf Selbstpflege und einfache Optimierungen setzt, und Hardmaxxing, das mit drastischen Maßnahmen und einem hohen Risiko für die Gesundheit einhergeht.
Softmaxxing ist eine weniger extreme Form des Looksmaxxings. Es geht um einfache, leicht umsetzbare Maßnahmen, die direkt spürbare Ergebnisse liefern. Ein gepflegtes Äußeres, ein fitter Körper und eine klare Haut – das sind die Grundpfeiler. Praktisch läuft das so ab:
- Hygiene und Pflege: Regelmäßiges Duschen, Hautpflege und das Finden einer Frisur, die wirklich schmeichelt.
- Fitness und Ernährung: Der Weg zum Erfolg führt ins Fitnessstudio – kombiniert mit proteinreichen Mahlzeiten und dem Verzicht auf Fast Food.
- Selbstpflege: Ein strahlendes Lächeln durch Zahnaufhellung, glatte Haut dank Feuchtigkeitscreme, und adé Akne mit gezielten Behandlungen.
Für viele ist Softmaxxing eine durchaus gesunde Möglichkeit, sich selbst zu pflegen und das eigene Wohlbefinden zu steigern. Es fördert ein positives Körpergefühl und kann das Selbstbewusstsein stärken. In der Praxis ist es jedoch oft der Einstiegspunkt in den komplexeren und potenziell gefährlicheren Bereich des Hardmaxxings.
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Hardmaxxing: Hier wird der Trend gefährlich
Was als ein unschuldiges Interesse an Selbstverbesserung beginnt, kann sich schnell in eine besorgniserregende Obsession verwandeln, die nicht nur das Selbstbild, sondern auch die psychische und körperliche Gesundheit stark beeinträchtigt. Hardmaxxing geht weit über das hinaus, was man als gesunde Selbstpflege bezeichnen würde.
Hier wird die körperliche Erscheinung durch drastische Maßnahmen verändert, die mit hohen Risiken und negativen psychischen Folgen verbunden sein können. Beispiele für Hardmaxxing sind:
- Hungern für die Schönheit: Strikte Diäten und ständiges Kalorienzählen werden zum Lebensstil, oft begleitet von gesundheitlichen Risiken.
- Illegale Substanzen: Anabolika und Steroide sollen Muskeln wachsen lassen – und bringen eine Liste potenzieller Nebenwirkungen mit, die sich gewaschen hat.
- Schönheitschirurgie 2.0: Ob Nasenkorrekturen oder Fettabsaugungen – Hardmaxxing kennt keine Grenzen. Besonders schockierend sind Trends wie „Bone Smashing“, bei dem Männer versuchen, ihre Gesichtsknochen gezielt zu brechen, um ein markanteres Profil zu bekommen, oder das Entfernen von Rippen für eine schlankere Taille.
Während Softmaxxing noch wie ein motivierender Self-Care-Trend wirken mag, zeigt sich beim Hardmaxxing schnell die Schattenseite: Es geht um eine obsessive Fixierung auf Perfektion – oft auf Kosten von Gesundheit und Lebensqualität.
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„Bone Smashing“ hinterlässt irreparable Schäden
„Bone Smashing“ ist eine verstörende und gefährliche Extremform des Looksmaxxing-Trends, bei der Menschen versuchen, ihre Gesichtszüge zu verändern, indem sie mit stumpfen Gegenständen wie Hämmern, Flaschen oder Massagegeräten absichtlich auf ihre eigenen Gesichtsknochen einschlagen.
Ziel dieser drastischen Methode ist es, ein markanteres Aussehen zu erzielen, das in sozialen Medien als Schönheitsideal propagiert wird. Doch die vermeintliche Wissenschaft hinter dieser Praxis ist nicht nur falsch interpretiert, sondern birgt immense gesundheitliche Risiken.
Befürworter von „Bone Smashing“ berufen sich auf das sogenannte Wolffsche Gesetz. Dieses wurde im 19. Jahrhundert von dem deutschen Arzt Julius Wolff entwickelt. Es besagt, dass sich Knochen an Belastungen anpassen können, wenn sie regelmäßig auftreten. Doch in Wirklichkeit hat das Einschlagen auf das eigene Gesicht wenig mit kontrollierter mechanischer Belastung zu tun und führt stattdessen zu schweren Verletzungen, die oft irreparable Schäden hinterlassen.
Expert:innen warnen eindringlich vor den Gefahren dieser Praxis. Das absichtliche Brechen von Gesichtsknochen kann zu unkontrollierten Frakturen führen, die nicht richtig heilen und das Gesicht dauerhaft deformieren können. Zudem besteht das Risiko, wichtige Nervenbahnen zu beschädigen, was zu Taubheit oder Lähmungen führen kann. Die empfindlichen Weichgewebe des Gesichts – wie Haut, Muskeln und Blutgefäße – können durch die Schläge langfristig verletzt werden.
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Woher stammt der extreme Trend?
Obwohl der Begriff „Looksmaxxing“ heute vor allem mit Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube in Verbindung gebracht wird, hat er seine Wurzeln in den sogenannten Incel-Foren der 2010er Jahre. Incels, eine Kurzform für „involuntary celibates“ (unfreiwillig Zölibatäre), sind männliche Internetnutzer, die sich selbst als Opfer des sexuellen Marktes sehen, weil sie romantische oder sexuelle Beziehungen zu Frauen nicht aufbauen können.
In diesen Foren verbreiteten sich nicht nur misogyne Einstellungen, sondern auch extreme Selbstoptimierungsstrategien, die darauf abzielten, das äußere Erscheinungsbild der Teilnehmer zu verbessern, um ihre „Marktfähigkeit“ zu steigern.
Obwohl die Mehrheit der Menschen, die sich heute mit Looksmaxxing beschäftigen, keine Incels sind, zeigt sich doch eine tiefe Verbindung zwischen der Optik-Optimierung und den gefährlichen Idealen, die in dieser Community vorherrschen. Der Druck, das eigene Aussehen zu perfektionieren, wird verstärkt durch eine Gesellschaft, die Äußerlichkeiten und die so genannte „attraktive Erscheinung“ zunehmend in den Mittelpunkt rückt.
Incel-Community und die „toxische Männlichkeit“
Obwohl der Großteil der Looksmaxxing-Anhänger keine Incels sind, ist der Trend eng mit den Idealen dieser Gemeinschaft verknüpft. Incels sind Männer, die sich selbst als unfreiwillig sexuell enthaltsam sehen und die Verantwortung für ihre Probleme oft auf Frauen und gesellschaftliche Normen abwälzen. Die Incel-Foren sind bekannt für ihren tief verwurzelten Hass auf Frauen und ihren Fokus auf die Verbesserung des eigenen Körpers, um auf dem „sexuellen Markt“ konkurrenzfähig zu sein.
In diesen Foren wird oft ein Bild von Männlichkeit propagiert, das auf Gewalt, Dominanz und der Ablehnung traditioneller sozialer Normen basiert. Einige der gefährlichen Praktiken des Looksmaxxings, wie das Streben nach einem „maskulinen“ Aussehen, haben ihren Ursprung in dieser radikalisierten Denkweise. Der Drang, durch extreme körperliche Veränderungen als „alpha“ wahrgenommen zu werden, steht in direktem Zusammenhang mit den toxischen Idealen dieser subkulturellen Gruppen.
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So belastet Looksmaxxing die Psyche
Die Jagd nach dem „perfekten“ Aussehen wird stark von sozialen Medien geprägt. Plattformen wie TikTok und Instagram zeigen ständig Bilder und Videos von Menschen, die durch Filter, Bearbeitung und oft unerreichbare Schönheitsideale scheinbar makellos wirken. Besonders junge Männer und Teenager, die sich noch in der Findungsphase ihrer Identität befinden, geraten leicht in einen Strudel aus Vergleichen und unerfüllbaren Erwartungen.
Looksmaxxing ist Teil eines größeren Trends zur ständigen Selbstoptimierung, der in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig ist. Der Glaube, dass Glück und Erfolg nur durch äußere Veränderung erreichbar sind, ist tief in diesen Idealen verankert.
Doch dieser Drang nach Perfektion fordert einen hohen psychischen Preis: Viele Betroffene entwickeln Körperdysmorphie, ein verzerrtes Bild von sich selbst, bei dem sie ständig vermeintliche „Mängel“ sehen, die sie korrigieren wollen, unabhängig davon, wie sie tatsächlich aussehen.
Der Zwang, einem unrealistischen Körperideal zu entsprechen, führt oft zu extremen Diäten oder ungesunden Essgewohnheiten, die ernsthafte gesundheitliche Folgen haben können. Zudem kann die permanente Fokussierung auf das eigene Aussehen und die Angst, gesellschaftlichen Normen nicht zu genügen, zu Depressionen und Angstzuständen führen.
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Die Rolle der Influencer: Perfektion als Verkaufsmasche
Influencer und Content-Creator, die Looksmaxxing bewerben, verstärken diesen Druck häufig noch. Sie präsentieren ihre „Transformationen“ als Erfolgsgeschichten und vermitteln, dass ein besseres Leben nur durch äußerliche Veränderungen erreichbar ist. Für ihre meist jungen Zuschauer entsteht so eine toxische Spirale: Statt Selbstakzeptanz wird der Drang zu Perfektion und Anpassung gefördert, oft auf Kosten der psychischen Gesundheit.
So können wir junge Männer unterstützen
Looksmaxxing ist ein Trend, der die psychische Gesundheit von Teenagern und jungen Männern erheblich gefährden kann. Die Suche nach einem perfekten Aussehen und die Vorstellung, dass körperliche Veränderungen der Schlüssel zu sozialem Erfolg und Selbstwert sind, können zu schwerwiegenden psychischen und physischen Problemen führen.
Es liegt in unserer Verantwortung, diesen Trend kritisch zu betrachten, Bewusstsein zu schaffen und junge Menschen zu unterstützen, damit sie sich nicht in einem gefährlichen Strudel aus Selbstzweifeln und extremen Maßnahmen verlieren.
Aufklärung und Kommunikation sind der Schlüssel. Eltern, Lehrer und Mentoren sollten Jugendliche darin unterstützen, ein positives Selbstbild zu entwickeln, das nicht ausschließlich auf äußeren Erscheinungen basiert. Es ist wichtig, dass junge Männer verstehen, dass wahre Männlichkeit nicht von Äußerlichkeiten abhängt, sondern von inneren Werten wie Respekt, Empathie und Integrität.
Darüber hinaus müssen wir auch die Gefahren der sozialen Medien ansprechen und Jugendlichen helfen, den Einfluss dieser Plattformen kritisch zu hinterfragen. Die Förderung von Selbstakzeptanz und das Setzen realistischer Erwartungen sind entscheidend, um den psychischen Belastungen entgegenzuwirken, die mit Trends wie Looksmaxxing verbunden sind.