Seltene aber lebensbedrohliche Erkrankung
Stell dir vor, jeder Atemzug wird zu einer Herausforderung, und die alltäglichen Dinge wie Aufstehen oder ein Spaziergang fühlen sich an wie ein unüberwindbares Hindernis. Für Menschen mit pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH) ist es die bittere Realität. Diese komplexe Erkrankung, die den Blutdruck in den Lungengefäßen erhöht, hat weitreichende Folgen für Lebensqualität und Lebenserwartung. Betroffene erleben nicht nur körperliche Einschränkungen, sondern auch emotionale und soziale Herausforderungen, die ihren Alltag stark belasten. Bei der Pressekonferenz der Patientenvereinigung PH Austria am 25. September 2024 in Wien wurden diese Herausforderungen in den Mittelpunkt gerückt. Expert:innen, Betroffene und Angehörige sprachen über die Notwendigkeit, das Bewusstsein für diese schwere Erkrankung zu schärfen und die Unterstützung für Betroffene zu verbessern.
Wie entsteht Lungenhochdruck?
Lungenhochdruck, medizinisch pulmonale Hypertonie genannt, ist eine Erkrankung, bei der der Druck in den Blutgefäßen, die vom Herzen zur Lunge führen, sich übermäßig erhöht. Normalerweise pumpt das Herz Blut durch die Lungenarterien in die Lunge, wo das Blut Sauerstoff aufnimmt und Kohlendioxid abgibt. Das geschieht in einem speziellen Teil des Blutkreislaufs, dem Lungenkreislauf. Bei Lungenhochdruck sind die Blutgefäße in der Lunge verengt oder versteift. Das bedeutet, dass das Blut nicht so gut fließen kann. Um das Blut trotzdem in die Lunge zu pumpen, muss das Herz härter arbeiten. Durch diese zusätzliche Anstrengung steigt der Druck in den Lungengefäßen. Wenn dieser Zustand länger anhält, kann er das Herz belasten und ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen. Schließlich kann Lungenhochdruck die Lebensqualität durch Atemnot und Müdigkeit erheblich einschränken. Besondere Risikogruppen wie junge Frauen, oft nach Schwangerschaften, sind überproportional von der Erkrankung betroffen.
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Späte Diagnose trotz schwerwiegender Folgen
Die Erkrankung belastet das Herz übermäßig und hat, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird, schwerwiegende Folgen für die Betroffenen. Gabor Kovacs, Leiter der PAH-Ambulanz an der Medizinischen Universität Graz, macht deutlich: „Das führt auch zu Herzversagen und schließlich, wenn nichts unternommen wird, zum Tod der Patient:innen.“ Ein großes Problem bei PAH ist die oft späte Diagnose. „Die ersten Symptome sind sehr unspezifisch“, erklärt Kovacs. „Atemnot bei Belastung und eingeschränkte körperliche Belastbarkeit sind erste Anzeichen, werden aber oft nicht sofort erkannt.“ Da die Symptome leicht mit anderen Krankheiten wie Asthma, Blutarmut oder Herzerkrankungen verwechselt werden können, dauert es im Durchschnitt etwa zwei Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. In dieser Zeit haben die Betroffenen oft zahlreiche Arztbesuche hinter sich, und die Krankheit schreitet unbemerkt fort. Kovacs betont, dass eine frühe Diagnose entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung ist.
Therapeutische Fortschritte
Bluthochdruck lässt sich einfach mit einem Blutdruckmessgerät messen. Im Gegensatz dazu ist die Diagnose von Lungenhochdruck weitaus anspruchsvoller. Um Lungenhochdruck zu erkennen, werden verschiedene diagnostische Verfahren eingesetzt, darunter Lungenröntgen, EKG, Ganzkörperuntersuchungen, Herzultraschall und Herzkatheteruntersuchungen. Vor 25 Jahren gab es kaum Therapiemöglichkeiten. „Heute haben wir dank intensiver Forschung 15 zugelassene Medikamente, die individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt werden können“, berichtet der Facharzt. Diese Medikamente erweitern die Lungengefäße, erleichtern das Atmen und verbessern die Belastbarkeit der Patient:innen. Dennoch ist die Sterblichkeit nach wie vor hoch, denn keine der bisherigen Therapien bekämpft die Ursache der Krankheit. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Sensibilisierung bei den Allgemeinmediziner:innen, die oft die ersten Ansprechpartner für die Betroffenen sind. Kovacs betont die Bedeutung einer besseren Aufklärung unter den Ärzt:innen, um die Erkrankung früher zu erkennen und damit die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung zu erhöhen.
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Leben mit PAH: Der persönliche Kampf
Eva Otter, selbst seit 20 Jahren an PAH erkrankt, beschreibt, wie sich ihr Alltag verändert hat. „Jeder Atemzug wird genau überlegt. Atmen war für mich Arbeit“, berichtet die Betroffene. Viele Menschen, die mit dieser Diagnose konfrontiert werden, fühlen sich überfordert, denn die Krankheit schränkt das Privat- und Berufsleben erheblich ein. Sogar das Aufstehen, Rausgehen oder Freizeitaktivitäten mit Freund:innen können zur Herausforderung werden, wodurch man sich immer mehr von anderen distanziert. Besonders erleichtert war sie, als sie endlich die Diagnose erhielt – auch wenn es zunächst ein Schock war. Denn erst dann war klar, dass die Symptome echt und nicht eingebildet waren. Dennoch brauchte Eva Otter fast fünf Jahre, um ihre Krankheit zu akzeptieren. Sie betont, wie wichtig der Austausch mit anderen Betroffenen ist, der wertvolle Unterstützung und Verständnis bietet. Für viele Patient:innen ist der soziale Rückhalt eine wichtige Säule im Umgang mit der Krankheit. Otter erzählt, wie ihr der Kontakt zu anderen Betroffenen geholfen hat, die Krankheit zu akzeptieren und mit der neuen Lebenssituation umzugehen. „Man merkt, dass sie schon lange mit der Krankheit leben, man tauscht sich aus, schließt Freundschaften. Ich habe mich weniger einsam und allein gefühlt, und das steigert die Lebensqualität“.
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Soziale und finanzielle Herausforderungen
Die Krankheit bringt jedoch nicht nur körperliche und emotionale Belastungen mit sich, sondern auch enorme finanzielle Herausforderungen. Betroffene können oft nicht mehr arbeiten und stehen plötzlich ohne Einkommen da. „Man muss zuhause bleiben, verdient kein Geld und es wird zum Überlebenskampf“, beschreibt Eva Otter die Situation vieler PAH-Patient:innen. Von der Beantragung des Pflegegeldes über die Ausstellung eines Behindertenausweises bis hin zur Unterstützung bei der Mietzahlung – die Betroffenen sind auf eine Vielzahl von Sozialleistungen angewiesen, um ihren Alltag zu bewältigen. Hier kommen Organisationen wie PH Austria ins Spiel. Eva Otter betont die Wichtigkeit, Betroffene umfassend zu informieren und ihnen Zugang zu spezialisierten Ärzt:innen zu ermöglichen. PH Austria veranstaltet regelmäßig Informationstage und lädt Lungenspezialist:innen ein, um Patienten besser aufzuklären und ihnen zu helfen, ihre Krankheit zu verstehen.
Ein Appell an die Politik: Verbesserung der Versorgung
Auch Gerald Fischer, Präsident von PH Austria, spricht über die sozialen Herausforderungen von PAH-Betroffenen. Er fordert mehr Unterstützung von der Politik. „Die Pensionen für Betroffene sind so niedrig, dass man davon nicht leben kann.“ Vor allem junge Menschen, die wegen der Krankheit ihre Ausbildung oder Arbeit abbrechen müssen, sind finanziell oft völlig auf sich allein gestellt. Fischer berichtet von seiner Tochter, die seit mehr als 25 Jahren einen Lungenkatheter trägt, über den lebenswichtige Medikamente verabreicht werden. „Zum Glück gibt es in Österreich verschiedene Therapien, die das Leben verlängern können.“ Dennoch sind viele Betroffene auf die Hilfe der Öffentlichkeit und auf Spenden angewiesen. Fischer machte auch auf die geringe öffentliche Wahrnehmung der Krankheit aufmerksam: „Gerade bei seltenen Krankheiten ist es oft so, dass sich in der Öffentlichkeit niemand dafür interessiert und man von der öffentlichen Hand keine Unterstützung bekommt.“ Die medizinische Versorgung müsse weiter verbessert werden, damit PAH-Patient:innen in ganz Österreich gleichberechtigten Zugang zu spezialisierter Behandlung haben.
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