Warum manche Menschen immer zu spät oder zu früh kommen
Du hast dich um 19 Uhr verabredet, bist aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal aus dem Haus – und deine Freundin fragt schon, wann du ungefähr da bist. Und das ist nicht das erste Mal? Dann gehörst du möglicherweise zu den geschätzten 20 Prozent der Menschen, die oft beziehungsweise immer zu spät kommen. Was manche als unhöflich empfinden, ist für andere gar nicht so dramatisch. Aber die Frage stellt sich: Ist es wirklich Egoismus, der dazu führt, dass man immer wieder verspätet ist und damit andere warten lässt, oder gibt es andere Gründe? Studien haben genau das untersucht und die Gründe liegen tiefer, als man denkt.
Zeitwahrnehmung und Biologie
Einer der Hauptgründe, warum manche Menschen immer zu spät kommen, liegt in ihrer biologischen Zeitwahrnehmung. Zahlreiche Forschungsarbeiten belegen, dass wir alle Zeit unterschiedlich wahrnehmen: Bei manchen Menschen vergeht sie gefühlt langsamer, bei anderen schneller. Diese sogenannte „interne Uhr“ ist bei jedem unterschiedlich getaktet. Menschen mit einer langsameren inneren Uhr neigen dazu, die Zeit zu unterschätzen und denken, sie hätten noch genug Zeit für Aufgaben, obwohl die tatsächliche Uhr bereits tickt. Interessante Erkenntnisse über das subjektive Zeitempfinden hat der Psychologe Jeff Conte von der San Diego State University gewonnen: In Experimenten, in denen Versuchspersonen ohne Uhr schätzen sollten, wann eine Minute vergangen ist, zeigten kreative und entspannte Menschen eine signifikante Verzerrung: Für sie fühlte sich eine Minute im Durchschnitt wie 77 Sekunden an. Ehrgeizige und gut organisierte Menschen hingegen haben ein besseres Zeitgefühl und empfinden eine Minute bereits nach 58 Sekunden als vorbei. Die Forschungen zeigen dabei auch, dass unser Zeitgefühl oft von biologischen Prozessen bestimmt wird, die tief in unserem Gehirn verwurzelt sind. Diese Prozesse laufen weitgehend unbewusst ab und beeinflussen, wie wir Zeit einplanen. So haben Menschen mit einer verzerrten Zeitwahrnehmung häufig das Gefühl, dass sie alles unter Kontrolle haben, bis sie plötzlich feststellen, dass die Zeit schon abgelaufen ist. Das Thema hat inzwischen auch Social Media wie Instagram und TikTok erobert, wo unzählige witzige Memes oder Videos kursieren, die das Gefühl der „verlorenen Zeit“ perfekt auf den Punkt bringen. Diese Clips fangen den alltäglichen Struggle mit der Zeit humorvoll ein und bieten eine Bühne, auf der sich viele direkt wiederfinden.
@sir.michi Markiere jemand der unpünktlich ist 😂 #MemeCut #Meme #CapCut #germany #lustig #fypシ #fyp #fürdich #foryou #viral ♬ Originalton – Michi
Ist das Gehirn schuld?
Unsere Fähigkeit, Entfernungen abzuschätzen, hängt stark davon ab, welche Strecken wir im Alltag gewohnt sind zu gehen. Studien zeigen, dass je vertrauter uns ein Gebiet oder eine Route ist, desto länger oder größer erscheint uns dieser Bereich. Interessanterweise spielt uns unser Gehirn bei der Einschätzung der Zeit, die wir für bekannte Strecken benötigen, einen Streich: Je vertrauter uns der Weg ist, desto schneller glauben wir ihn bewältigen zu können – obwohl wir unsere Geschwindigkeit gar nicht verändert haben. Doch so sehr unser Gehirn uns das vorgaukelt, sieht die Realität oft anders aus. Dieser Faktor könnte ebenfalls erklären, warum viele Menschen ständig ihren Bus verpassen oder es nicht rechtzeitig zur Arbeit schaffen – obwohl sie den Weg eigentlich in- und auswendig kennen.
Mehr dazu: Multitasking: Macht es uns sogar krank?
Persönlichkeit als Pünktlichkeitsfaktor
Natürlich spielt die eigene Persönlichkeit ebenfalls eine große Rolle: Menschen, die gewissenhaft und strukturiert sind, legen oft Wert darauf, Termine pünktlich oder sogar zu früh wahrzunehmen. Sie empfinden Pünktlichkeit als Ausdruck von Respekt und Verlässlichkeit. Für sie ist es selbstverständlich, frühzeitig loszufahren, um sich nicht zu verspäten und Stress zu vermeiden. Auf der anderen Seite stehen die spontaneren, weniger strukturierten Typen, die es mit Zeitvorgaben oft nicht so genau nehmen. Sie leben im Moment und lassen sich leicht ablenken, was dazu führt, dass die Zeit plötzlich knapp wird. Diese Menschen neigen dazu, Aufgaben aufzuschieben, bis sie unvermeidlich sind – was dann häufig in einer Verspätung resultiert. Und das führt zum nächsten Punkt: Stress.
Mehr dazu: Versteckte Anzeichen: So zeigt dein Körper, dass du unter Stress leidest
Stress und Ablenkung als Zeitfresser
Interessanterweise zeigen die Forschungen zu dem Thema auch, dass Stress und schlechtes Zeitmanagement oft Hand in Hand gehen. Menschen, die chronisch zu spät kommen, sind häufig gestresst und überfordert von der Vielzahl an Aufgaben, die sie gleichzeitig bewältigen wollen. Sie lassen sich leicht ablenken und verplanen ihre Zeit, ohne wirklich Prioritäten zu setzen. Ein typisches Beispiel: Man will nur „schnell“ noch etwas erledigen, bevor man losfährt, und merkt nicht, wie die Zeit verfliegt. Wer dagegen zu früh erscheint, hat oft ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit. Zu früh da zu sein, bedeutet, jede Unwägbarkeit im Griff zu haben. Aber auch hier gibt es dann eine Art von Stress – diesmal in Form von langen Wartezeiten, die oft als Zeitverschwendung empfunden werden.
@fabyybabyyI was born and raised in einer unpünktlichen Familie ! Mich nervt Unpünktlichkeit seitdem ich geboren wurde!♬ what once was by hers – @
Kulturelle Unterschiede im Umgang mit Zeit
Ein weiterer interessanter Aspekt sind die kulturellen Unterschiede im Zeitverhalten. In den USA, wo viele Studien zu diesem Thema durchgeführt wurden, gilt Pünktlichkeit als ein Zeichen von Professionalität und Respekt. Zu spät zu kommen, wird oft als unhöflich oder respektlos wahrgenommen. In anderen Kulturen, etwa in Südeuropa oder Lateinamerika, ist der Umgang mit Zeit oft flexibler, und ein paar Minuten Verspätung sind kein großes Thema. Reist man beispielsweise nach Italien oder Griechenland, da kann man selbst bei der geringen Distanz zu Österreich bemerken, wie langsam die Uhren dort ticken. Sei es an der Supermarkt-Kasse, beim Autoverleih oder sogar bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese kulturellen Unterschiede prägen auch, wie Menschen aus verschiedenen Ländern Pünktlichkeit bewerten und wie sie mit Zeitvorgaben umgehen. In streng strukturierten Gesellschaften wird Pünktlichkeit eher als Muss betrachtet, während in entspannteren Kulturen auch mal ein lockerer Umgang mit der Zeit erlaubt ist.
@tinaneumannMarkiert @ mal alle die eure unpünktliche Freundin!:D 🥲♬ Low – m_a_r_i_a
Strategien gegen chronische Verspätung
Chronische Verspätung kann nicht nur stressig für dich selbst, sondern auch für dein Umfeld sein. Dabei können auch ernsthafte Folgen das Resultat sein: Kündigungen oder auch Freundschaften, die beendet werden. Die gute Nachricht ist, dass es verschiedene Strategien gibt, die dir helfen können, deine Zeit besser zu managen und ein wenig pünktlicher zu sein. Dabei geht es weniger um schnelle Tricks, sondern um langfristige Gewohnheiten und ein besseres Verständnis für deine eigenen Zeitwahrnehmungen und Verhaltensmuster. Hier sind einige praktische Ansätze, die dir dabei helfen können, pünktlicher zu werden:
- Pufferzeiten einplanen: Plane immer zusätzliche Zeit für unvorhergesehene Verzögerungen ein. Das bedeutet, dass du dir nach 18 Uhr nichts mehr vornimmst, wenn du um 19 Uhr ein Treffen hast. So kannst du die Fahrtzeit und mögliche unvorhergesehene Verspätungen berücksichtigen.
- Aufgaben realistisch einschätzen: Achte darauf, wie lange du für bestimmte Tätigkeiten tatsächlich benötigst, und passe deine Planung entsprechend an. Hilfreich könnte sein, dir in dein Smartphone in deine Notizen am Vortag deinen Tag grob durchzuplanen und aufzuschreiben, welche ungefähre Zeitspanne die Termine haben werden.
- Einen festen Zeitplan nutzen: Setze dir feste Zeiten für Aufgaben und Termine und halte dich konsequent daran. Dieser kann ebenfalls in deinen Handy-Notizen eingetragen werden.
- Prioritäten setzen: Lerne, wichtige Aufgaben zuerst zu erledigen, statt sie aufzuschieben oder dich zu verzetteln.
- Benachrichtigungen und Erinnerungen verwenden: Nutze Alarme oder Timer, um dich rechtzeitig an bevorstehende Termine zu erinnern.
- Belohnung: So merkwürdig es auch klingen mag, du kannst dir vornehmen, dass du dir etwas Schönes gönnst, wenn du es schaffst, zu 5 Treffen pünktlich zu erscheinen.
Mit diesen Strategien kannst du Schritt für Schritt daran arbeiten, deine Verspätungen zu reduzieren und zuverlässiger zu werden. Deine Mitmenschen werden es dir danken.