Immer mehr junge Menschen erkranken an Krebs
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Vom Experiment zur Standardbehandlung
Gleichzeitig hat heutzutage die Krebsbehandlung eine völlig neue Dimension erreicht. Durch die rasante Entwicklung von Immuntherapien ist es heute nicht nur möglich, Symptome zu lindern, sondern auch die Heilungschancen erheblich zu verbessern.
Was einst als experimentelle Behandlung galt, gehört mittlerweile bei einigen Krebsarten zum Standardrepertoire der Therapie. Für immer mehr Krebsarten wird die Forschung weiter vorangetrieben und zeigt vielversprechende Erfolge. Doch was macht diese neuen Therapien so einzigartig? Und wer kann am meisten von ihnen profitieren?
Wie funktionieren Immuntherapien?
Um zu verstehen, wie Immuntherapien wirken, ist es hilfreich, einen Blick auf ihre Funktionsweise zu werfen. Immuntherapien aktivieren das körpereigene Immunsystem, sodass es gezielt gegen Tumorzellen vorgeht. Im Gegensatz zur traditionellen Chemotherapie, die die Zellteilung von Krebszellen direkt stoppt, nutzen Immuntherapien die natürliche Abwehrkraft des Körpers.
Es gibt dabei zwei unterschiedliche Ansätze, wie uns im Interview Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Past-President der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO), erklärt:
- Klassische Immuntherapien: Hier werden Immunzellen wie die T-Zellen aktiviert, um den Tumor direkt zu bekämpfen.
- Indirekte Immuntherapien: Krebszellen werden mit Antikörpern markiert, die das Immunsystem dazu bringen, sie anzugreifen. Diese Methode wird oft als zielgerichtete Therapie bezeichnet.
Wer profitiert am meisten?
Besonders erfolgreich ist die Immuntherapie bei bestimmten Krebsarten. Hilbe erklärt: „Die Immuntherapie wurde vor allem beim Melanom entwickelt, wo sie besonders gut wirkt.“
Ein Melanom ist eine besonders aggressive Form von Hautkrebs, die oft auf herkömmliche Therapien nur schlecht anspricht. Hier kommen Immuntherapien ins Spiel, da sie das Immunsystem des Körpers aktivieren und so gezielt die Tumorzellen bekämpfen können, die sich den traditionellen Behandlungsansätzen entziehen.
Doch nicht jede Krebsart reagiert gleichermaßen darauf. „Wir sprechen von ‘heißen’ und ‘kalten’ Tumoren. Heiß sind Tumorzellen, die ein spezifisches Oberflächenprofil aufweisen, das die Immunzellen aktivieren kann. Kalte Tumoren hingegen sprechen weniger gut auf die Behandlung an.“
Das heißt: Je „heißer“ der Tumor, desto höher sind die Erfolgschancen. Um das herauszufinden, werden heute spezielle Tests durchgeführt. So gibt es für Lungenkrebs und Dickdarmkrebs spezifische Marker wie „PD1-positiv“ oder „MSI-positiv“, die anzeigen, ob eine Immuntherapie sinnvoll ist.
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Neue Lebensqualität für Betroffene
Einer der größten Vorteile von Immuntherapien ist ihre Wirkung auf die Lebensqualität der Patient:innen. „Je wirksamer eine Therapie ist und je weniger Nebenwirkungen sie hat, desto besser geht es den Patient:innen“, betont der Onkologe. Viele Patienten berichten von einer deutlichen Verbesserung ihres Allgemeinzustandes.
Während Chemotherapien oft mit starker Übelkeit, Haarausfall und anderen belastenden Nebenwirkungen einhergehen, sind Immuntherapien in der Regel schonender. Allerdings sind auch sie nicht ganz frei von Risiken.
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Da Immuntherapien das Immunsystem stimulieren, besteht die Möglichkeit, dass sie auch gesundes Gewebe angreifen. Das kann Symptome hervorrufen, die denen einer Autoimmunerkrankung ähneln. „Wir sehen daher Krankheitsbilder wie Z.B. eine Lungenentzündung (Pneumonitis) oder auch einer Schilddrüsenerkrankung (Thyreoiditis).“, so Hilbe. Diese Nebenwirkungen treten jedoch meist seltener auf als die typischen Beschwerden bei einer Chemotherapie.
Wann zeigen sich Erfolge?
Die Geschwindigkeit, mit der eine Immuntherapie wirkt, variiert stark. „Fallweise sehen wir Effekte bereits in wenigen Tagen“, berichtet der Experte. Bei anderen Patient:innen bremst die Therapie zunächst nur das Wachstum des Tumors, sodass die Wirkung erst nach Wochen sichtbar wird. Entscheidend ist hier, dass die Behandlung individuell angepasst wird.
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Herausforderungen der Immunonkologie
Trotz aller Fortschritte bleibt noch viel zu tun. „Der immense Fortschritt der Wissenschaft, besonders in der Immunologie, muss verstanden werden“, erläutert Hilbe. Es geht darum, neue Wirkmechanismen zu entwickeln und gezielt dort einzusetzen, wo sie den größten Nutzen bringen.
Die Forschung schreitet rasend schnell voran, und Expert:innen sind optimistisch, dass in den kommenden Jahren viele neue Optionen zur Verfügung stehen werden. Die Vision: Krebs nicht nur kontrollieren, sondern auch langfristig heilen.
Ein Hoffnungsschimmer – Wird Krebs bald heilbar?
Könnten Immuntherapien eines Tages dazu führen, dass Krebs heilbar wird? Hilbe bleibt vorsichtig optimistisch: „Wir alle folgen der Vision, dass Krebs heilbar ist. Aber eine Heilung wäre auch, wenn die Krebserkrankung kontrolliert werden kann, der Patient keine Symptome hat und eine normale Lebenserwartung erreicht.“
Diese Hoffnung treibt Ärzt:innen, Wissenschaftler:innen und Betroffene gleichermaßen an. Immuntherapien könnten schon bald nicht nur das Leben von Krebspatient:innen verlängern, sondern auch die Lebensqualität erheblich steigern. Die Forschung hat die Krebsmedizin in eine neue Ära geführt – und das ist erst der Anfang.