Ungleichheit im Gesundheitswesen
In der heutigen Medizin gibt es nach wie vor erhebliche Ungleichheiten, die sich insbesondere im sogenannten „Gender Health Gap“ widerspiegeln. Die Gesundheit von Frauen wird häufig vernachlässigt, was sich besonders in der medizinischen Forschung zeigt. Historisch betrachtet wurden weibliche Teilnehmerinnen in klinischen Studien oft unterrepräsentiert, und viele Medikamente sowie Behandlungsansätze sind primär auf den männlichen Körper ausgelegt. Das führt dazu, dass die spezifischen gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen, einschließlich hormoneller Unterschiede und geschlechtsspezifischer Erkrankungen, nicht ausreichend berücksichtigt werden. Aus einer neuen europäischen Studie wurde dabei ein alarmierendes Beispiel genauer untersucht: Viele Frauen mit schweren Herzklappenerkrankungen im europäischen Raum bekommen nicht die gleiche Behandlung und Aufmerksamkeit wie Männer. Diese Ungleichheit ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern wirft ein Licht auf tief verwurzelte Unterschiede in der medizinischen Versorgung, die Geschlecht und Gesundheit betreffen. Doch wie kommt es zu dieser Ungleichbehandlung und was lässt sich dagegen tun?
Was sind Herzklappenerkrankungen?
Herzklappen haben eine sehr wichtige Aufgabe: Sie regulieren den Blutfluss durch das Herz, indem sie sicherstellen, dass das Blut in die richtige Richtung strömt und verhindern, dass es zurückfließt. Durch ihr präzises Öffnen und Schließen ermöglichen sie eine gleichmäßige und effiziente Zirkulation des Blutes zwischen den verschiedenen Herzkammern sowie den großen Blutgefäßen, was für eine stabile Herzfunktion und eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und Nährstoffen unerlässlich ist.
Im Herzen gibt es vier Klappen, deren Funktion jeweils lebenswichtig ist. Manchmal kommt es jedoch vor, dass eine oder mehrere dieser Klappen nicht richtig arbeiten, was ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen kann. Das kann verschiedene Ursachen haben, z. B. genetische Veranlagung, Alterung, Infektionen oder andere Erkrankungen wie Bluthochdruck. Wenn eine Klappe beschädigt ist oder nicht richtig schließt, kann das Blut nicht mehr in die richtige Richtung fließen.
Mehr dazu: Erhöhtes Risiko: So schützt du dein Herz in den Wechseljahren
Neue Studie zur Gleichbehandlung
Die aktuelle Studie wurde in mehr als 200 Kliniken in Europa und Nordafrika durchgeführt und umfasste mehr als 5.200 Patientinnen und Patienten. Die Forscher:innen unter der Leitung von Prof. Julia Mascherbauer von der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems wollten herausfinden, ob es bei der Behandlung von Herzklappenerkrankungen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Die Ergebnisse waren eindeutig: Frauen mit schweren Herzklappenerkrankungen wurden seltener invasiv behandelt als Männer. Invasive Eingriffe wie ein Klappenersatz oder eine Klappenreparatur können den Blutfluss wieder normalisieren und die Funktion des Herzens deutlich verbessern. Ohne diese Eingriffe verschlechtert sich der Zustand häufig und kann zu schweren Komplikationen oder sogar zum Tod führen. Außerdem waren die an der Studie teilnehmenden Frauen zum Zeitpunkt der Diagnose durchschnittlich 2,5 Jahre älter als Männer und hatten häufig schwerere Symptome, was darauf hindeutet, dass die Krankheit bei Frauen oft später erkannt wird. Das könnte die Behandlungsmöglichkeiten erheblich einschränken.
Mehr dazu: Leben mit PAH: Warum die Diagnose oft Jahre auf sich warten lässt
Wieso werden Frauen anders behandelt als Männer?
Die Studie zeigt auf, dass es mehrere Gründe gibt, warum Frauen seltener die empfohlene Behandlung erhalten. Zum einen waren die Patientinnen im Durchschnitt älter, was zu einer anderen Einschätzung der Behandlungsnotwendigkeit führen kann. Häufig lehnten Frauen auch medizinische Interventionen ab, weil sie der Meinung sind, dass ihre Beschwerden bereits ausreichend mit Medikamenten behandelt werden können. Diese Unterschiede in der Behandlung können schwerwiegende Folgen haben. Während die Überlebensraten nach sechs Monaten zwischen den Geschlechtern ähnlich waren, bleibt unklar, ob Frauen langfristig ähnliche Gesundheitsergebnisse erzielen wie Männer. Die Autorin der Studie betont, wie wichtig es ist, diese Unterschiede zu erkennen, um eine gerechte und optimale medizinische Versorgung für alle zu gewährleisten.
Der „Gender Heath Gap“
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Behandlung sind ein gut dokumentiertes Phänomen, das in vielen Bereichen der Medizin zu beobachten ist. Diese Unterschiede betreffen nicht nur die Diagnostik, sondern auch die Therapieansätze und die Reaktionen der Patient:innen auf verschiedene Behandlungen. Frauen und Männer können bei der gleichen Erkrankung unterschiedliche Symptome zeigen, und auch die Wirksamkeit von Medikamenten kann je nach Geschlecht unterschiedlich sein. Leider werden Frauen in der medizinischen Forschung oft weniger berücksichtigt, was dazu führt, dass ihre spezifischen Bedürfnisse und Reaktionen auf Behandlungen nicht ausreichend verstanden werden. Das kann dazu führen, dass Frauen nicht die optimale medizinische Versorgung erhalten, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zu Herzklappenerkrankungen unterstreichen, wie wichtig es ist, geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin zu berücksichtigen. Daher ist es wichtig, mehr Forschung zu betreiben, die sich speziell mit geschlechtsspezifischen Unterschieden befasst, um ein umfassenderes Bild von Gesundheit und Krankheit zu erhalten.
Mehr dazu: Gender Health Gap: Expertin erklärt die Auswirkungen bei Kindern
Wie kann man die Situation verbessern?
Um die Unterschiede in der medizinischen Behandlung von Frauen und Männern abzubauen und die Gesundheit aller Patientinnen und Patienten zu verbessern, sind vielfältige Maßnahmen erforderlich, die über die geschlechtsspezifische Forschung hinausgehen. Zunächst sollte die Ausbildung von angehenden Ärzt:innen und medizinischem Personal verbessert werden, damit sie die Bedeutung geschlechtsspezifischer Unterschiede erkennen und verstehen. Sie müssen lernen, Behandlungen individuell auf die Bedürfnisse von Männern und Frauen abzustimmen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Entwicklung klarer Leitlinien, die diese Unterschiede bei Diagnose und Therapie berücksichtigen. Darüber hinaus sollten umfassende Informations- und Aufklärungsangebote für Patient:innen geschaffen werden, damit sie erkennen, wie wichtig es ist, offen über ihre Symptome zu sprechen. Wenn die Betroffenen selbst wissen, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, können sie aktiver auf ihre Gesundheit achten und besser informierte Entscheidungen treffen. Durch diese gemeinsamen Anstrengungen – in Forschung, Ausbildung und Aufklärung – kann die Gesundheitsversorgung für alle gerechter und besser werden. Nur durch ein besseres Verständnis dieser Unterschiede können medizinische Fachkräfte sicherstellen, dass jeder Patient:in die optimale, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Behandlung bekommt. So wird garantiert, dass alle genau die Versorgung bekommen, die sie nämlich tatsächlich brauchen.
Mehr dazu: Herzgesundheit: Warum ticken Frauen anders als Männer?