Halluzinationen und Atemnot: Wie lässt sich Schlafparalyse erklären?

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Rätselhafte Lähmung

Stell dir vor, du erwachst aus einem tiefen Schlaf und stellst fest, dass du dich weder bewegen noch einen Laut von dir geben kannst. Ein beklemmendes Gefühl der Hilflosigkeit überkommt dich, als wärst du in deinem eigenen Körper gefangen. Für viele ist dies nicht nur eine vorübergehende Lähmung, sondern ein Moment intensiver Angst, verstärkt durch die Unfähigkeit, um Hilfe zu rufen, oft begleitet von beängstigenden und unerklärlichen Halluzinationen. Dieses als „Schlafparalyse“ bekannte Phänomen ist nicht nur rätselhaft, sondern auch zutiefst beunruhigend. Es kann das Verhältnis zum Schlaf so stark beeinträchtigen, dass manche Menschen eine regelrechte Angst vor dem Einschlafen entwickeln. Doch wie bedrohlich ist diese rätselhafte Lähmung wirklich und was kann man dagegen tun?

Was ist Schlafparalyse?

Als Schlafparalyse bezeichnet man einen Zustand, in dem eine Person während des Einschlafens oder Aufwachens vorübergehend gelähmt ist und sich nicht bewegen kann. Doch wie lässt sich dieses Phänomen wissenschaftlich erklären? Laut einer in der Fachzeitschrift Sleep Medicine Reviews veröffentlichten Studie ist die Schlafparalyse durch einen bestimmten Zeitraum gekennzeichnet, in dem die willkürlichen Muskelbewegungen gehemmt sind, während die Augen- und Atembewegungen unbeeinträchtigt und die Sinne klar bleiben. Dieser Zustand tritt auf, wenn das Gehirn wach ist, der Körper sich aber noch in der REM-Phase (Rapid Eye Movement) befindet. Während des REM-Schlafs ist der Körper natürlicherweise in einer Art Lähmungszustand, der als Schutzmechanismus dient, um zu verhindern, dass wir unsere Träume körperlich umsetzen und uns dabei verletzen. Bei einer Schlafparalyse wird diese Lähmung fälschlicherweise auf den Wachzustand übertragen, was zu der quälenden Erfahrung führt, dass man sich zwar bei Bewusstsein befindet, aber nicht in der Lage ist, sich zu bewegen oder zu sprechen.

Halluzinationen und Atemnot

Manche Menschen berichten auch von einem Engegefühl in der Brust, das oft mit Atemnot einhergeht. Das wird oft als „Hag-Riding“ oder „Old-Hag-Syndrom“ bezeichnet und wird durch die eingeschränkte Muskelkontrolle während dieser Phase der Lähmung verstärkt. Der Betroffene kann zwar atmen, aber das Gefühl, die Atemmuskulatur nicht aktiv kontrollieren zu können, kann Panik auslösen und die Atemnot verstärken. Ein weiteres auffälliges Merkmal der Schlafparalyse sind die intensiven Halluzinationen, die häufig mit dieser Erfahrung einhergehen. Diese können sehr unterschiedlich sein und reichen von der Wahrnehmung schattenhafter Gestalten oder unheimlicher Wesen bis hin zu überwältigenden Gefühlen von Angst und Bedrohung. Interessanterweise spiegeln diese Halluzinationen oft kulturelle Überzeugungen und Volkslegenden wider. In einigen Kulturen wird Schlafwandeln als Begegnung mit bösen Geistern oder Hexen interpretiert, in anderen als Besuch von Außerirdischen. Diese kulturell geprägten Interpretationen können einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie Menschen ihre Erfahrungen während der Schlafparalyse wahrnehmen und verarbeiten.

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Was verursacht Schlafparalyse?

Die genauen Ursachen der Schlafparalyse sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt mehrere Faktoren, die das Risiko für das Auftreten einer Schlafparalyse erhöhen können. Schlafmangel ist ein wichtiger Risikofaktor, da er den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus stört und die Wahrscheinlichkeit von Schlafparalyse-Episoden erhöht. Ein unregelmäßiger Schlafrhythmus, wie er bei Schichtarbeit oder häufigem Wechsel der Zeitzone vorkommt, erhöht das Risiko ebenfalls. Menschen mit Schlafstörungen wie Narkolepsie sind besonders gefährdet, da ihr Gehirn Schwierigkeiten hat, den Übergang zwischen Schlaf und Wachzustand zu regulieren. Psychischer Stress und Angst können den Schlaf fragmentieren und so das Risiko einer Schlafparalyse erhöhen. Es gibt auch Hinweise auf eine genetische Veranlagung, da Schlafparalyse in manchen Familien gehäuft auftritt. Schließlich kann das Schlafen in Rückenlage das Risiko erhöhen, da in dieser Position häufiger Atemprobleme auftreten, die den Schlaf stören und zu Schlafparalyse führen können.

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Schlafparalyse vermeiden

Viele Menschen fühlen sich der Schlafparalyse ausgeliefert und glauben, nichts dagegen tun zu können. Studien zeigen jedoch, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie die Betroffenen ihre Schlafgewohnheiten wieder in den Griff bekommen können. Das Verständnis der Ursachen und des Verlaufs der Schlafparalyse kann helfen, die Angst zu lindern. Darüber hinaus können gezielte Maßnahmen, die während und außerhalb der Episoden angewendet werden, die Häufigkeit der Schlafparalyse verringern.

  1. Mentale Beruhigung: Erinnere dich daran, dass Schlafparalyse nur vorübergehend und harmlos ist. Das Wissen, dass es bald vorübergeht, kann die Angst lindern.
  2. Atemfokus: Während einer Episode hilft es, sich auf die Atmung zu konzentrieren. Langsame, tiefe Atemzüge können Panik und Angstgefühle mindern.
  3. Kleine Bewegungen: Obwohl große Bewegungen während der Schlafparalyse schwierig sind, versuche, kleine Muskeln wie Finger oder Zehen zu bewegen. Dies kann dem Gehirn signalisieren, dass es vollständig aufwachen soll, und die Episode beenden.
  4. Positive Visualisierung: Beruhigende oder positive Bilder während einer Episode zu visualisieren, kann von den Lähmungsgefühlen ablenken und zur Selbstberuhigung beitragen.
  5. Schlafhygiene: Ein regelmäßiger Schlafrhythmus, eine angenehme Schlafumgebung und der Verzicht auf Stimulanzien wie Koffein vor dem Schlafengehen können das Risiko von Schlafparalyse reduzieren. Zudem kann es hilfreich sein, auf der Seite statt auf dem Rücken oder Bauch zu schlafen, da Studien zeigen, dass Schlafparalyse häufiger in Rücken- oder Bauchlage auftritt.

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