Austrian Health Report: Was wünschen sich die Menschen vom Gesundheitssystem?

Erwartungen an die Gesundheitsversorgung

Wenn man an einer Erkrankung leidet oder eine Diagnose hat, die man von einem Facharzt oder einer Fachärztin abklären lassen möchte, sieht man sich häufig einer schwierigen Entscheidung gegenüber: Wartet man auf einen Arzttermin, der weit in der Zukunft liegt, oder entscheidet man sich, einen Wahlarzt aufzusuchen und möglicherweise den vollen Preis für eine schnellere Behandlung zu zahlen? Ohne eine oft kostspielige Zusatzversicherung kann das schnell ins Geld gehen. So hängt die eigene Gesundheit häufig vom Geldbeutel und der Zeit ab, die man für Arzttermine aufbringen muss.

Zusätzlich wird die Situation durch die Unsicherheit verstärkt, an wen man sich wenden kann und welche Behandlungsmöglichkeiten tatsächlich zur Verfügung stehen.Diese Gedanken sind für viele Österreicherinnen und Österreicher traurige Realität.

Der Austrian Health Report 2024/25, der im Auftrag des Pharmaunternehmens Sandoz über 1.000 Österreicher:innen befragte, wirft einen tiefen Blick auf die Gesundheitsversorgung in Österreich und deckt die wahren Gefühle und Ängste der Menschen auf. Die Botschaft ist eindeutig: Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten mehr von ihrem Gesundheitssystem.

Sorgen um die Behandlungsqualität

Mit 70% der Befragten, die ihren Gesundheitszustand als (sehr) gut einschätzen, sind viele Menschen in Österreich mit ihrer körperlichen Gesundheit zufrieden. Diese positive Selbsteinschätzung ist gerade nach den herausfordernden Jahren der Pandemie ein ermutigendes Zeichen. Doch der Schein trügt: Gleichzeitig sorgen sich viele um die Qualität der medizinischen Versorgung. Fast die Hälfte der Befragten glaubt, dass das Geld über die Qualität der Behandlung entscheidet. Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), warnt auch vor Ungleichheiten im Gesundheitssystem, die dazu führen, dass finanziell besser gestellte Menschen schneller und besser behandelt werden. Das führt zu einem deutlichen Gefühl eines Zweiklassensystems. Hier besteht laut dem Experten dringender Handlungsbedarf.

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Fehlende Arzt-Patient-Beziehung

Die Umfrage zeigt auch deutlich, was die Bevölkerung von der neuen Bundesregierung erwartet: Neun von zehn Befragten wünschen sich kürzere Wartezeiten und mehr Ärztinnen und Ärzte. Das Bedürfnis nach schnelleren Terminen und einer persönlicheren Betreuung ist deutlich spürbar. Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien, betont, dass die Menschen nicht nur schnell behandelt werden wollen, sondern auch Zeit für Gespräche mit ihren Ärztinnen und Ärzten einfordern. Das zeigt, dass die Qualität der Arzt-Patient-Beziehung eine zentrale Rolle spielt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Prävention. Kamaleyan-Schmied betont, dass die Gesellschaft mehr in präventive Maßnahmen investieren sollte, um zukünftige Gesundheitsprobleme zu vermeiden. „Die Vorsorge ist ganz was wichtiges. Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um das Leiden, das vermieden werden kann“, so die Expertin.

Ein besonders bemerkenswerter Punkt, den Dr. Michaela Wlattnig von der Patientinnen- und Pflegeombudschaft Steiermark anspricht, ist das mangelnde Wissen der Patient:innen, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden. Viele fühlen sich verloren und wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen können. Hier besteht ein großer Bedarf an Information und Aufklärung, damit sich die Menschen besser zurechtfinden.

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Fokus auf psychische Gesundheit

Ein weiteres wichtiges Thema des Austrian Health Report ist die psychische Gesundheit. Während sich viele Menschen über ihre körperliche Gesundheit freuen, kämpfen vor allem die jüngeren Generationen häufig mit Stress und psychischen Belastungen. Diese Herausforderungen zeigen, wie wichtig es ist, über psychische Gesundheit zu sprechen und Unterstützung anzubieten. Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied bringt es auf den Punkt: „Wenn es den Menschen psychisch gut geht, haben sie auch weniger körperliche Beschwerden“. Das zeigt, dass sich ein gutes psychisches Wohlbefinden positiv auf den gesamten Gesundheitszustand auswirkt. Um das zu fördern, brauchen wir mehr Angebote zur psychischen Unterstützung – sei es durch Therapien, Beratungsstellen oder einfach durch einen offenen Dialog in der Gesellschaft. Ein Schwerpunkt auf präventive Maßnahmen könnte helfen, die psychische Gesundheit zu stärken und die Lebensqualität zu verbessern. Die Gesellschaft muss zusammenarbeiten, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Menschen wohl fühlen und Unterstützung finden, wenn sie sie brauchen. Es ist an der Zeit, das Thema psychische Gesundheit aus der Nische herauszuholen und ihm den Stellenwert zu geben, den es verdient, verdeutlicht die Expertin.

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Hohes Vertrauen in Generika

Eine positive Überraschung des Austrian Health Reports ist das hohe Vertrauen der Bevölkerung in Generika. Doch was sind Generika eigentlich? Generika sind Medikamente, die den gleichen Wirkstoff enthalten wie bereits zugelassene Markenmedikamente, aber oft deutlich günstiger sind. Sie werden nach Ablauf des Patentschutzes für das Originalpräparat hergestellt. Das bedeutet, dass andere Unternehmen diese Medikamente herstellen können, ohne die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung tragen zu müssen. Das führt dazu, dass Generika oft deutlich günstiger angeboten werden, ohne dass Qualität oder Wirksamkeit darunter leiden. Laut Franziska Zehetmayr von Sandoz wissen 70% der Befragten über Generika Bescheid und erkennen deren Vorteile. Die Bereitschaft, Generika als kostengünstige Alternative zu akzeptieren, zeigt, dass die Menschen gewillt sind, diese wichtigen Medikamente in ihrem Alltag zu nutzen.

Potenzial der lokalen Arzneimittelproduktion

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Diskussion um die Produktion von Medikamenten in Österreich. 89% der Befragten finden es wichtig, dass Medikamente im eigenen Land hergestellt werden. Das spricht nicht nur für das Vertrauen in die Qualität der heimischen Produkte, sondern auch für den Wunsch nach mehr Unabhängigkeit in der Arzneimittelversorgung. Die heimische Produktion ist entscheidend, weil sie die Verfügbarkeit von Arzneimitteln sichert und die Abhängigkeit von Importen verringert, was besonders in Krisenzeiten wichtig ist. In Österreich hergestellte Medikamente sind weniger anfällig für internationale Transportprobleme und politische Unsicherheiten und ermöglichen den Patient:innen einen schnelleren Zugang zu notwendigen Medikamenten. Darüber hinaus stärkt die heimische Produktion die österreichische Wirtschaft durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Produktion sowie in Forschung und Entwicklung. Somit ist die Produktion von Arzneimitteln in Österreich ein wichtiger Schritt, um die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu sichern und gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität zu fördern.

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Ein Blick in die Zukunft

Die Herausforderungen, die im Austrian Health Report 2024/25 aufgezeigt werden, sind nicht nur Symptome eines bestehenden Problems, sondern auch Chancen für eine positive Veränderung im Gesundheitssystem. Um den Erwartungen der Bevölkerung gerecht zu werden, müssen alle Beteiligten – von der Politik über das Gesundheitswesen bis hin zu den Patientinnen und Patienten – zusammenarbeiten. Es bedarf einer echten Reform, die den Fokus auf Prävention, Bildung und Chancengleichheit legt. „Die Menschen wollen eine gute Gesundheitsversorgung. Das ist ein Grundrecht nicht nur der kranken Menschen, sondern auch der gesunden. Und wenn wir nach drei Jahren Pandemie nicht gelernt haben, was die Gesundheit wert ist, dann tut mir leid, aber man kann diesem Laden nicht mehr helfen“, bringt Kamaleyan-Schmied auf den Punkt.

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