Ayurveda Lifestyle: Mehr als nur „alternative Medizin“?

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„Wissenschaft des Lebens“

Seit Jahrhunderten bildet Ayurveda die Grundlage traditioneller medizinischer Praktiken in Indien. Es hat seine Wurzeln in den Veden, den heiligen Schriften Indiens, die vor mehr als 5.000 Jahren verfasst wurden. Die Veden enthalten ein umfangreiches Regelwerk, das in vier Teile gegliedert ist. Der Atharvaveda, einer dieser Teile, enthält Anweisungen zum Ayurveda, was in Sanskrit „heiliges Wissen“ oder „Wissenschaft vom Leben“ bedeutet. Die ayurvedischen Texte und Überlieferungen erklären das Konzept der Doshas und deren Einfluss auf Körper, Geist und Seele. Ein zentrales Prinzip der Ayurveda-Kultur besagt, dass die Gesundheit mit einer optimierten Verdauung und einem gesunden Geist beginnt. Ein gesunder Darm ermöglicht eine effiziente Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen, und ein gesunder Geist hilft bei der Bewältigung mentaler und emotionaler Schwierigkeiten und Traumata. Diese Prinzipien verkörpern den ganzheitlichen Gesundheitsansatz des Ayurveda: die Einheit von Geist, Körper und Seele. Doch wie wird der Ansatz heute angenommen und umgesetzt?

Was sagt die Wissenschaft

Die wissenschaftliche Forschung zu Ayurveda hat in den letzten Jahren zugenommen und es gibt eine wachsende Zahl von Forschungsarbeiten, die die Wirksamkeit verschiedener ayurvedischer Praktiken und Behandlungen, die auch gerade wieder einen Aufschwung erleben, untersuchen. So hat zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2020 die Wirksamkeit ayurvedischer Interventionen bei der Behandlung und Verbesserung von Typ-2-Diabetes nachgewiesen, eine andere Studie bestätigte die Linderung der Symptome bei Kniearthrose, und sogar die Behandlung von Krebspatienten mit ayurvedischer Medizin zeigte in einer Studie positive Ergebnisse. Diese Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Ayurveda vielversprechende Möglichkeiten zur Unterstützung verschiedener Gesundheitszustände bietet. Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass diese Behandlungsmöglichkeit weiterer Forschung bedarf, um ihre Wirkungen besser zu verstehen und zu bestätigen. Es gibt allerdings genügend Beweise dafür, dass diese Lebensweise für jeden von Vorteil sein kann.

Die Grundprinzipien des Ayurveda

Wer die altindische Lehre in seinen Lebensstil integrieren möchte, sollte zunächst die Grundprinzipien verstehen. Ayurveda basiert auf drei Grundprinzipien, den so genannten „Doshas“: Vata, Pitta und Kapha. Diese Doshas repräsentieren unterschiedliche biologische Energien, die für verschiedene physiologische und psychologische Funktionen im menschlichen Körper verantwortlich sind. Vata, das den Elementen Luft und Äther zugeordnet wird, steht für Bewegung und Kreativität und reguliert alle Bewegungen im Körper wie Blutkreislauf, Atmung und Nervenimpulse. Pitta, bestehend aus Feuer und Wasser, ist für Stoffwechsel und Verdauung zuständig und beeinflusst Körpertemperatur, Hunger und Durst sowie Intellekt und Emotionen. Kapha, bestehend aus Erde und Wasser, sorgt für Struktur und Stabilität im Körper und reguliert den Wasserhaushalt, das Immunsystem und die Stärke von Knochen und Muskeln. Nach der ayurvedischen Lehre hat jeder Mensch eine einzigartige Kombination dieser drei Doshas, die seine Konstitution (Prakriti) bestimmt. Im Ayurveda geht es darum, diese Energien im Gleichgewicht zu halten, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern.

Ernährung im Ayurveda

Die Ernährung spielt im Ayurveda eine zentrale Rolle und gilt als wesentlich für die Aufrechterhaltung des Dosha-Gleichgewichts. Die ayurvedische Ernährung basiert auf dem Konzept der sechs Geschmacksrichtungen (Rasas): süß, sauer, salzig, bitter, scharf und adstringierend. Jede dieser Geschmacksrichtungen hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Doshas und sollte in einer ausgewogenen Ernährung vertreten sein.

  • Vata-ausgleichende Ernährung: Menschen mit einer dominanten Vata-Energie profitieren von warmen, nahrhaften und leicht verdaulichen Speisen. Sie sollten ölige, süße und saure Nahrungsmittel bevorzugen und kalte, trockene und rohe Lebensmittel vermeiden.
  • Pitta-ausgleichende Ernährung: Für eine Pitta-Konstitution sind kühlende, milde und bittere Lebensmittel ideal. Scharfe, saure und salzige Speisen sollten reduziert werden, um übermäßige Hitze im Körper zu vermeiden.
  • Kapha-ausgleichende Ernährung: Kapha-Typen sollten warme, trockene und leichte Speisen bevorzugen, während schwere, ölige und süße Lebensmittel vermieden werden sollten. Scharfe und bittere Geschmacksrichtungen helfen dabei, das Kapha-Dosha auszugleichen.

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Fasten

Das ayurvedische Fasten, eine traditionelle Praxis namens „Upavasa“, bietet verschiedene Ansätze wie Wasserfasten, Saftfasten, Reiswasserfasten und Trockenfasten. Diese Methoden zielen darauf ab, den Körper zu entgiften, die Regeneration zu fördern und die geistige Klarheit zu verbessern. Durch den Verzicht auf feste Nahrung werden Giftstoffe ausgeschieden und der Stoffwechsel reguliert, während das Fasten als spirituelle Praxis auch das Bewusstsein und das spirituelle Wachstum fördert. Ayurvedisches Fasten bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir völlig auf Nahrung verzichten. Es bedeutet nicht, dass wir uns selbst etwas verweigern und Hunger leiden. Ayurvedisches Fasten hat zwar viel mit Essen und Trinken zu tun, aber es beinhaltet eine weniger verarbeitete, leichtere Ernährung, die unserer Konstitution oder unserem aktuellen Gesundheitszustand entspricht.

Ein einfacher erster Schritt beim Fasten besteht darin, bestimmte Nahrungsmittel zu meiden: Zucker, raffinierte Kohlenhydrate, Gluten, kommerzielle Milchprodukte, ungesunde Fette, genetisch veränderte und verarbeitete Lebensmittel, Fastfood, Koffein und Alkohol. Diese Lebensmittel neigen dazu, Ama (Giftstoffe) und ein Gefühl der Schwere im Körper zu erzeugen. Der ganztägige Verzicht auf eine dieser Lebensmittelkategorien, der über mehrere Tage fortgesetzt wird, kann als Fasten bezeichnet werden. Vor Beginn einer Fastenkur ist es wichtig, die eigene Konstitution, aktuelle Gesundheitsprobleme und die Verdauung zu berücksichtigen. Fastenneulinge oder Menschen mit chronischen Krankheiten sollten einen Ayurveda-Praktiker oder Arzt konsultieren, um eine geeignete Reinigungs- oder Fastenmethode zu wählen.

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Kräuter und Gewürze als Medizin

Das alte indische System der natürlichen Heilung verwendet eine Vielzahl von Kräutern und Gewürzen, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Diese natürlichen Mittel sind für ihre heilenden Eigenschaften bekannt und spielen eine zentrale Rolle in der ayurvedischen Medizin. Kräuter wie Ashwagandha, Kurkuma, Tulsi und Brahmi sowie Mischungen wie Triphala sind nur einige der vielen Pflanzen, die im Ayurveda verwendet werden. Ashwagandha hilft bei Stress und stärkt das Immunsystem, während Kurkuma für seine entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften geschätzt wird. Tulsi unterstützt die Atemwege und das Immunsystem, während Brahmi die kognitiven Funktionen und das Gedächtnis fördert. Triphala, eine Mischung aus drei Früchten, verbessert die Verdauung und unterstützt die Entgiftung des Körpers.

Durch die Integration von ayurvedischen Kräutern und Gewürzen in den Alltag können die gesundheitlichen Vorteile effektiv genutzt werden. In der Küche können Gewürze wie Kurkuma und Ingwer regelmäßig verwendet werden, um die Verdauung zu fördern und Entzündungen zu reduzieren. Kräutertees aus Tulsi, Ashwagandha oder Brahmi können als tägliches Ritual zur Entspannung und Stärkung des Immunsystems dienen. Zur gezielten Anwendung stehen Kapseln und Pulver zur Verfügung, die besonders praktisch sind, wenn die Zeit zum Kochen fehlt. Darüber hinaus können ayurvedische Kräuteröle und Pasten äußerlich angewendet werden, um Hautprobleme zu behandeln oder den Körper durch Massagen zu revitalisieren. Insgesamt bietet die ayurvedische Kräuter- und Gewürzmedizin eine kraftvolle und natürliche Möglichkeit, ein gesundes und ausgeglichenes Leben zu führen, indem die Heilkräfte der Natur genutzt werden.

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Tagesroutine „Dinacharya“

Der ayurvedische Tagesablauf, Dinacharya, soll Körper, Geist und Seele im Einklang mit den natürlichen Rhythmen des Tages halten und beginnt mit dem frühen Aufstehen (Brahma Muhurta) etwa eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang. Am Morgen wird die Zunge gereinigt und der Mund mit Sesam- oder Kokosöl ausgespült, um Giftstoffe zu entfernen und die Mundgesundheit zu verbessern. Danach folgen Zähneputzen, Nasenspülung, Augenpflege, Selbstmassage mit warmem Öl (Abhyanga) und eine warme Dusche. Nach der morgendlichen Körperpflege folgt die Pflege des Geistes: Atemübungen (Pranayama), Yoga, Meditation und anschließend ein leichtes, dosha-gerechtes Frühstück. Tagsüber werden Arbeit und alltägliche Tätigkeiten mit Konzentration und Klarheit ausgeführt, das Mittagessen als Hauptmahlzeit eingenommen und eine kurze Ruhepause eingelegt. Abends empfiehlt Dinacharya ein leichtes Abendessen vor 19 Uhr, einen kurzen Spaziergang zur Verdauungsförderung, entspannende Aktivitäten wie Lesen oder beruhigende Musik und ein Abendritual zur Entspannung und Besinnung.

 

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Schlaf und Entspannung

Ein weiterer wichtiger Aspekt der ayurvedischen Lebensweise ist ausreichender Schlaf und regelmäßige Entspannung. Im Ayurveda wird der Schlaf neben der Ernährung und einer gesunden Lebensweise als eine der drei Säulen des Lebens angesehen. Schlaf ist unerlässlich für die körperliche und geistige Erholung, Regeneration und das Gleichgewicht der Doshas – Vata, Pitta und Kapha. Ein gestörter Schlaf kann zu einem Ungleichgewicht der Doshas führen und verschiedene gesundheitliche Probleme verursachen. Ayurveda empfiehlt, einen regelmäßigen Schlafrhythmus einzuhalten, idealerweise vor 22 Uhr zu Bett zu gehen und vor Sonnenaufgang aufzustehen sowie eine ruhige, dunkle und kühle Schlafumgebung zu schaffen. Eine entspannende Abendroutine, leichte und warme Mahlzeiten sowie beruhigende Tees fördern einen erholsamen Schlaf. Schlaf ist auch für die psychische Gesundheit wichtig, da er den Geist beruhigt und emotionale Stabilität fördert. Darüber hinaus beeinflusst der Schlaf die Verdauung: unzureichender Schlaf kann das Verdauungsfeuer schwächen und zur Ansammlung von Giftstoffen führen. Insgesamt unterstützt ein gesunder Schlaf die Regeneration des Körpers, das Dosha-Gleichgewicht und ein harmonisches Leben.

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