Antibiotika wirkt nicht mehr: Warum spielt Nanoplastik dabei eine Rolle

Kann Nanoplastik zu Antibiotikaresistenz führen?

Winzige Partikel – große Gefahr

Egal wie weit wir uns in die unberührte Natur zurückziehen, die erschreckende Wahrheit ist, dass wir immer noch winzige Nanoplastikpartikel einatmen. In einer Welt, in der Plastik allgegenwärtig ist und Umweltschutz immer wichtiger wird, rücken die gesundheitlichen Risiken von Nanoplastik in den Vordergrund. Diese winzigen Partikel sind nicht nur eine Gefahr für die Umwelt, sondern auch eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesundheit. Täglich umgeben von einer Flut von Plastikprodukten, zeigen neueste Forschungsergebnisse, dass diese unsichtbaren Eindringlinge das Risiko für eine Vielzahl von chronischen Krankheiten, Allergien und anderen Gesundheitsproblemen erhöhen können. Ein internationales Forscherteam unter maßgeblicher Beteiligung der MedUni Wien hat alarmierende neue Risiken aufgedeckt, die uns auffordern, die unsichtbare Plastikkrise ernster zu nehmen.

Unterschiedliche Größen, unterschiedliche Risiken

Plastikpartikel gelangen aus vielen Quellen in die Umwelt, z. B. aus sich zersetzenden Kunststoffen, dem Abrieb von Autoreifen und synthetischen Textilien. Mikroplastik (zwischen 1 Mikrometer und 5 Millimeter) wird aufgrund seiner Größe als geringes Risiko für die menschliche Gesundheit eingestuft, da es zu groß ist, um von menschlichen Zellen in nennenswerten Mengen aufgenommen zu werden. Es wird in der Regel unverändert ausgeschieden. Anders verhält es sich mit den winzigen Nanoplastikpartikeln, die kleiner als 0,001 Millimeter sind. Solche Partikel können die Zellmembran überwinden und in die Zellen eindringen. Sie können vom Körper nur schwer abgewehrt werden und lagern sich unter anderem in lebenswichtigen Organen ab.

Wie gelangt Nanoplastik in den Körper?

Die zersetzten Kunststoffreste sind so klein, dass sie mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, aber leicht in die Umwelt gelangen – über die Luft, das Wasser oder den Boden. So wurden Nanoplastikteilchen bereits in entlegenen Ökosystemen, auf dem Meeresboden und in der Luft von Großstädten gefunden. Diese Partikel sind mittlerweile so weit verbreitet, dass es kaum noch einen Ort auf der Erde gibt, der völlig frei von ihnen ist.

Erschreckend ist, dass mehrere Studien in den letzten Jahren gezeigt haben, dass Nanoplastikpartikel in den menschlichen Körper gelangen können. Das kann auf verschiedenen Wegen geschehen: durch Einatmen, durch den Verzehr von kontaminierten Nahrungsmitteln und Getränken oder möglicherweise auch über die Haut. Vor allem Lebensmittel und Trinkwasser, die in Plastik verpackt oder aufbewahrt werden, sind häufige Quellen. Eine Studie hat ergeben, dass Wasser in Plastikflaschen durchschnittlich mehr als 200.000 Nanoplastikteilchen pro Liter enthalten kann. Im Körper können sich die Partikel dann in verschiedenen Organen ablagern – von der Lunge und dem Darm bis hin zu Blut, Leber und Gehirn.

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Die Wirkung von Nanoplastik auf das Gehirn

Neue Studien deuten darauf hin, dass Nanoplastikpartikel die Blut-Hirn-Schranke überwinden und ins Gehirn gelangen können. Dort könnten sie sich ansammeln und möglicherweise negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Untersuchungen an Verstorbenen haben gezeigt, dass das Gehirn oft höhere Konzentrationen an Mikro- und Nanoplastik enthält als andere Organe wie Leber oder Nieren.

Forscher vermuten, dass diese winzigen Partikel im Gehirn Stress und Entzündungen auslösen können, die Zellen und Nervenstrukturen schädigen. Das ist besonders besorgniserregend, da bei Menschen mit Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson häufig mehr Plastik im Gehirn gefunden wird als bei gesunden Menschen. Die genauen Prozesse werden noch erforscht, aber erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Nanoplastik die Gehirnfunktion beeinträchtigen und das Risiko für neurologische Erkrankungen erhöhen könnte.

Nanoplastik und die Wirksamkeit von Antibiotika

Das Forschungsteam unter der Leitung von Lukas Kenner (MedUni Wien), Barbara Kirchner (Universität Bonn) und Oldamur Hollóczki (Universität Debrecen) hat untersucht, wie Nanoplastik mit Antibiotika im Blut interagiert. Insbesondere wurde Tetracyclin untersucht, das zur Behandlung einer Vielzahl von bakteriellen Infektionen, einschließlich Atemwegs- und Hautinfektionen, eingesetzt wird. Die Wissenschaftler:innen kombinierten Tetracyclin mit verschiedenen gängigen Kunststoffen, darunter Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polystyrol (PS) und Nylon 6,6 (N66). Diese Materialien sind nicht nur in Verpackungen, sondern auch in Textilien und anderen Alltagsgegenständen weit verbreitet.

Die Ergebnisse der Studie sind beunruhigend. Es wurde festgestellt, dass Nanoplastikpartikel nicht nur die biologische Aktivität von Tetracyclin verringern, sondern auch dazu führen können, dass das Antibiotikum an nicht vorgesehene Stellen im Körper transportiert wird. Das könnte die gezielte Wirkung des Medikaments beeinträchtigen und zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Bindung von Tetracyclin an Nanoplastik zu einer Erhöhung der lokalen Konzentration des Antibiotikums an der Partikeloberfläche führen kann. Diese erhöhte Konzentration könnte dazu beitragen, dass Bakterien Resistenzen gegen das Antibiotikum entwickeln. „Wenn Nanoplastik die Wirksamkeit von Antibiotika verringert, stellt die Dosierung ein massives Problem dar“, sagt Lukas Kenner, Leiter des Forschungsteams an der MedUni Wien.

Die Herausforderung der Antibiotikaresistenz

Antibiotikaresistenzen sind ein globales Gesundheitsproblem, das bereits Millionen von Menschenleben gefordert und die Behandlung bakterieller Infektionen erheblich erschwert hat. Die Entdeckung, dass Nanoplastik die Wirksamkeit von Antibiotika beeinträchtigen kann, eröffnet neue Perspektiven auf die Ursachen dieser Resistenzentwicklung. „In einer Zeit, in der Antibiotikaresistenzen weltweit zu einer immer größeren Bedrohung werden, müssen solche Wechselwirkungen berücksichtigt werden“, so Kenner. Wenn Medikamente in ihrer Wirksamkeit geschwächt werden, können Bakterien leichter Resistenzen entwickeln, was die Behandlung von Infektionen erschwert und die öffentliche Gesundheit gefährdet.

Erhöhte Konzentration in Innenräumen

Die Konzentration von Mikro- und Nanoplastik ist in Innenräumen deutlich höher als im Freien, was zu besonderen Gesundheitsrisiken führen kann. Viele Kunststoffpartikel stammen aus Alltagsgegenständen wie Möbeln, Teppichen, Vorhängen und vor allem aus synthetischer Kleidung. Diese Materialien setzen bei jeder Bewegung, Reibung oder Abnutzung winzige Partikel frei, die in der Luft schweben und beim Einatmen in den Körper gelangen können.

Besonders besorgniserregend ist die Freisetzung aus gängigen Kunststoffen wie Nylon oder Polypropylen. Lukas Kenner hebt hervor: „Besonders stark war die Bindung bei Nylon“. Da wir uns oft den größten Teil des Tages in Innenräumen aufhalten, sind wir dieser erhöhten Belastung ständig ausgesetzt – ein Faktor, der bisher oft unterschätzt wurde und langfristig die Gesundheit beeinträchtigen könnte.

Besonders toxische Chemikalien im schwarzen Plastik

Eine weitere aktuelle Studie kommt ebenfalls zu alarmierenden Ergebnissen. Schwarzer Kunststoff, der in vielen Alltagsprodukten wie Küchenutensilien, Spielzeug und Lebensmittelverpackungen verwendet wird, birgt ein hohes Risiko durch gefährliche Chemikalien, die oft aus recyceltem Elektronikschrott stammen.
Besonders besorgniserregend sind bromierte Flammschutzmittel wie DecaBDE, die bekanntermaßen gesundheitsschädlich sind.

Diese chemischen Verbindungen wurden in vielen Elektrogeräten verwendet, um Brände zu verhindern, und gelangen während des Recyclingprozesses unbeabsichtigt in andere Produkte. Obwohl DecaBDE seit 2018 in der EU verboten ist, wurde es einer aktuellen Studie zufolge noch in rund 70 % der untersuchten schwarzen Kunststoffe gefunden. Die Konzentrationen lagen oft weit über den gesetzlichen Grenzwerten, was alarmierend ist.

Durch den Kontakt mit Lebensmitteln oder das Kauen auf Spielzeug können diese Schadstoffe in den Körper gelangen und dort über längere Zeit verbleiben, was zu einer Anreicherung im Gewebe führen kann. Eine langfristige Aussetzung gegenüber diesen Chemikalien kann das Risiko ernsthafter Gesundheitsprobleme wie Krebs, Hormonstörungen und neurologische Schäden erhöhen.

Diese Verunreinigungen werfen wichtige Fragen darüber auf, wie sicher und umweltfreundlich die derzeitigen Recyclingmethoden wirklich sind und ob strengere Vorschriften notwendig sind, um solche Schadstoffe aus unserem Alltag zu verbannen. Expert:innen empfehlen, Produkte aus schwarzem Plastik zu vermeiden und stattdessen auf sichere Alternativen wie Glas oder Edelstahl zurückzugreifen, um das Risiko einer chemischen Exposition zu minimieren.

Wie kann man Nanoplastik vermeiden?

Um Nanoplastik in deinem Alltag zu vermeiden, kannst du einige einfache, aber wirksame Schritte unternehmen. Beginne damit, Einwegplastikprodukte wie Plastikflaschen, -behälter und -tüten zu reduzieren. Verwende stattdessen wiederverwendbare Alternativen aus Glas oder Edelstahl – das schont nicht nur die Umwelt, sondern sieht auch gut aus.

Achte beim Einkaufen auf frische Lebensmittel und vermeide verpackte Produkte, die oft in Plastik eingeschweißt sind. Beim Kauf neuer Kleidung solltest du natürliche Materialien wie Baumwolle oder Wolle synthetischen Stoffen vorziehen, die beim Waschen Mikroplastik freisetzen können. Du kannst auch spezielle Waschbeutel verwenden, die Mikroplastikpartikel herausfiltern, um die Kunststoffemissionen zu verringern.

Ein weiterer praktischer Tipp ist regelmäßiges Staubsaugen und Wischen. Das hilft nicht nur, die Wohnung sauber zu halten, sondern reduziert auch die Menge an Staub und kleinen Partikeln, die Nanoplastik enthalten können.

Außerdem ist es gut, auf die Herkunft der Produkte zu achten, die du kaufst. Setze auf Marken, die sich für umweltfreundliche Praktiken einsetzen und so zu einer besseren Zukunft beitragen. Mit diesen kleinen Veränderungen in deinem Alltag kannst du dazu beitragen, die Belastung durch Nanoplastik zu verringern und gleichzeitig deine Gesundheit zu schützen.

Mehr dazu: Plastik im Pulver: Ist dein Waschmittel ein Umweltproblem?

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