„Gesunder“ Alkoholkonsum
„Ein Gläschen Wein schadet nicht“ oder „Ein kleines Feierabendbier gehört einfach dazu“ sind Sprüche, die den gelegentlichen Genuss von Alkohol als unbedenklich und sogar gesundheitsfördernd darstellen. Viele Menschen glauben, dass mäßiger Alkoholkonsum positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass dieser weit verbreitete Glaube ein Irrtum ist. Alkohol ist auch dann nicht gesund, wenn er in geringen Mengen getrunken wird. Worauf beruht also der Irrtum vom „gesunden“ Alkoholgenuss und wie viel Alkohol kann man überhaupt bedenkenlos trinken?
Veraltete Studien
Mäßiger Alkoholkonsum wird häufig mit verschiedenen gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht, insbesondere in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System. Einige Studien deuten darauf hin, dass mäßiger Alkoholkonsum, insbesondere Rotwein, aufgrund seines Gehalts an Antioxidantien wie Resveratrol das Herz schützen und das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen verringern könnte. Darüber hinaus wird gelegentlich behauptet, mäßiger Alkoholkonsum könne das Risiko für Typ-2-Diabetes senken. Diese potenziellen Vorteile werden häufig mit der Annahme verknüpft, dass mäßiger Alkoholkonsum den Cholesterinspiegel positiv beeinflusst und die Blutgerinnung hemmt.
Doch ein Team kanadischer Forscher:innen der Universität Victoria stellte fest, dass die gesundheitlichen Vorteile eines mäßigen Alkoholkonsums zu gering sind. Sie analysierten Langzeitstudien über den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Sterblichkeit und bewerteten das Sterberisiko für moderate Trinker. Tatsächlich zeigt die Forschung, dass die gesundheitlichen Vorteile, die gelegentlich mit Alkohol in Verbindung gebracht werden, oft durch andere, weniger riskante Mittel erreicht werden können, wie eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung.
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Gift für die Leber
Alkohol ist eine giftige Substanz, die direkt auf die Zellen und Organe des Körpers wirkt. Beim Trinken wird sein Hauptbestandteil Ethanol in der Leber abgebaut. Dabei entstehen giftige Nebenprodukte wie Acetaldehyd, die die Leberzellen schädigen können. Langfristiger Alkoholkonsum kann zu einer Reihe von Lebererkrankungen führen, darunter Fettleber, alkoholische Hepatitis und schließlich Leberzirrhose. Diese Erkrankungen können die Funktion der Leber erheblich beeinträchtigen, was weitere Gesundheitsprobleme wie Gelbsucht, erhöhte Blutungsneigung und eine verminderte Fähigkeit zur Entgiftung des Körpers zur Folge hat. Obwohl die Leber über eine gewisse Regenerationsfähigkeit verfügt, kann selbst mäßiger Alkoholkonsum langfristig schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Lebergesundheit haben.
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Toxisch für den ganzen Körper
Nicht nur die Leber leidet unter regelmäßigem Alkoholkonsum. Alkohol ein Zellgift und ein bekannter Karzinogen (krebsverursachende Substanz), das das Risiko für mindestens sieben Krebsarten erhöht, darunter Mund-, Rachen-, Speiseröhren-, Leber-, Brust- und Darmkrebs. der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als Gruppe-1-Karzinogen eingestuft wurde, ähnlich wie Asbest (früher in Baumaterialien enthalten) und Tabak. Jeder alkoholhaltige Getränk, unabhängig von Preis oder Qualität, kann Krebsrisiken bergen. Besonders besorgniserregend ist, dass schon „leichtes“ und „mäßiges“ Trinken – wie weniger als 1,5 Liter Wein oder 3,5 Liter Bier pro Woche – Krebsrisiken, insbesondere Brustkrebs bei Frauen, erheblich erhöhen. In der EU sind Krebsfälle, die auf Alkohol zurückzuführen sind, besonders hoch und machen einen großen Teil der alkoholbedingten Todesfälle aus.
Gibt es eine „sichere“ Alkoholmenge?
Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass es keine „sichere“ Menge Alkohol gibt, bei der kein Krankheitsrisiko besteht. Schon der erste Schluck Alkohol kann die Gesundheit gefährden. Die WHO weist ebenfalls darauf hin, dass es keinen festen Grenzwert gibt, ab dem Alkohol krebserregend wird, und dass selbst geringer Alkoholkonsum das Risiko für bestimmte Krebsarten wie Brust- und Leberkrebs erhöhen kann. Daher können die möglichen Vorteile eines geringen oder mäßigen Alkoholkonsums für Herzkrankheiten und Diabetes das Krebsrisiko laut Wissenschaftler:innen nicht aufwiegen. Insgesamt gilt jedoch: Je mehr man trinkt, desto größer ist das Risiko.
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Falsche Annahmen beeinflussen Konsumrichtlinien
Der Leiter der kanadischen Studie, Tim Stockwell, kritisiert, dass der Glaube an die gesundheitlichen Vorteile von Alkohol die gesetzlichen Regelungen zum Alkoholkonsum stark beeinflusst. Das hat in vielen Ländern zu einer Lockerung der Regeln für Werbung, Verkauf und Konsum von Alkohol geführt. Der Irrglaube, dass Alkohol zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen kann, hat oft die Diskussion darüber beeinflusst, wie streng die Alkoholpolitik sein sollte. Als Folge davon sind die Empfehlungen und Gesetze zum Alkoholkonsum unter Umständen weniger streng, als es unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Risiken notwendig wäre.